Bärenmädchen (German Edition)
halten. Dass er den Soldatentod gestorben ist und so. Ich kann das nicht.“
Das würde mir eine Ehre sein“, antwortete er und blieb dabei todernst. Er schätzte Rockenbach zu sehr, als dass über dessen zuweilen schräge Ideen gespottet hätte. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, fragte er, was er vorhin zu der Rothaarigen gesagt habe, bevor die sich so fleißig über seinen Schwanz hergemacht hatte.
„Hab ihr nur gesagt, dass sie mir mächtig was Schuldig ist, weil sie meinen Hund auf‘m Gewissen hat. Da hat sie gesagt, dass sie mal ‘nen Freund hatte, der nur ‘nen Steifen gekriegt hat, wenn sie‘s ihm mit dem Mund besorgt hat und das sie deswegen weiß, was sie tut, und das sie sich auch besonders anstrengen will, weil ihr die Sache so leid tue. Dann hat der kleine Trampel richtig fleißig losgelegt.“
Das klang ja fast zärtlich wie Rockenbach, das sagte, stellte Adrian überrascht fest. Entwickelte sein gewissenloser Landsknecht-Kumpan auf seine alten Tage etwa zarte Gefühle? Adrian schüttelte im Gehen den Kopf. Eher würde der tote Bär wieder lebendig, bevor das geschah.
„Würd sie übrigens gern für die neue Spezialausbildung nehmen.“, erklärte der Deutsch-Russe jetzt.
„Ist sie nicht viel zu dick?“
„Nö, hab da was vor mit ihr.“
„Na, mein Okay hast Du. Wir brauchen einige Mädchen, wenn es losgehen soll“, antwortete Adrian etwas lahm. Die Spezialausbildung, die dieser Tage erstmals im Schloss startete, zählte für Adrian zum Extremsten, was man mit Betas anstellen konnte. Er selbst konnte sich nicht allzu sehr dafür begeistern. Tiere sollten Tiere und Menschen Menschen bleiben, fand er. Aber es gab viele, die anders dachten. Rund um den Globus schienen sich immer mehr Alphas für diesen exquisiten Zeitvertreib zu begeistern, und so versprach auch dieses Projekt dem Schloss einen lukrativen Gewinn, wenn entsprechend trainierte Betas verkauft werden konnten.
Rockenbach zählte auch zu den Liebhabern des bizarren Vergnügens. Er hatte sich zu einem regelrechten Spezialisten entwickelt und war sogar für einige Woche in eine Niederlassung der Organisation nach Südamerika gereist, um dort von einem Meister auf diesem Gebiet zu lernen. Hier im Schloss hatte Abner ihn mit Adrians Zustimmung zum Projektleiter der Spezialausbildung ernannt.
Schweigend und jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend gingen sie nebeneinander her. Sie passierten das Tor zur inneren Zone, und dann kam der Moment, der Adrian immer aufs Neue begeisterte. Als sie aus dem Wald traten, lag vor ihnen in einer sanften Talsenke das Schloss. Er sah, wie selbst die müdesten Mädchen große Augen bekamen, und beschloss, dass dieser Anblick auch seinem Bärenmädchen nicht entgehen sollte. Also ging er zu ihr hin und befreite sie von dem Beutel. Sie schüttelte wie ein Hund den Kopf und sog gierig die frische Luft ein. Kurz erhaschte er einen wütenden Blick auf sich. Dann sah sie das Schloss und ihr Gesichtsausdruck war nur noch pures Staunen.
Als erstes fiel jedem die unglaubliche Größe auf. Niemand hätte ein derartiges Bauwerk in dieser abgelegenen, weltvergessenen Gegend erwartet. Der graue Stein, aus dem es erbaut war, ließ es streng und etwas düster wirken. Dutzende Türmchen, Rundbögen und üppige Fensterfronten vermittelten gleichzeitig einen verspielten, geradezu märchenhaften Eindruck. Die große Frage war, ob es eine bösartige Hexe oder eine glückbringende Fee herbeigezaubert haben mochte.
„Absolute Ansichtssache“, dachte Adrian. Tatsächlich, so wusste er, hatte es ein neureicher Industrieller namens Anton Karólyi Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut. Damals gehörte Moldurien noch zur k. u. k Monarchie. Der Mann hatte gewaltige Gewinne aus der Produktion von Waffen zusammengetragen und sich hier den Traum von herrschaftlicher Pracht erfüllt. Nach wechselvoller Geschichte und als halbe Ruine hatte es Jahre später die Organisation erworben. Mit enormem Aufwand wurde es restauriert und umgebaut, ebenso die Umgebung des Schlosses. Von ihrem Standpunkt aus ließen sich zahllose Nebengebäude, ein Hubschrauberlandeplatz, mehrere Sportplätze und ein weitläufiger Park erkennen. Rechts vom Schloss lag ein fast kreisrunder schimmernder See, eingefasst in eine sattgrüne Rasenfläche.
Adrian war natürlich klar, dass es inzwischen größere Anlagen der Organisation in Japan, Südamerika und Saudi-Arabien gab, aber Schloss Karólyi war einzigartig. Hinter seinen Mauern schien
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