Bärenmädchen (German Edition)
zwei der beiden. So begann sie die, wie sie sagte, „Sache mit der Kuss-Erpressung“ zu schildern.
„Sie ist so eine Hexe. Ich mag sie überhaupt nicht“, entfuhr es Miriam, als Anne fertig war.
„Sie ist falsch“, sagte Anne.
„Ein grausames Miststück.“
„Und sie benimmt sich überhaupt nicht wie eine richtige Beta.“
„Wirklich schön ist sie auch nicht. Dafür ist ihr Mund zu groß. Ein richtiges Froschgesicht hat sie“, erklärte Miriam.
„Die Männer sind so dumm, dass sie immer wieder auf sie hereinfallen“, sagte Anne und dachte an Attila von Ungruhe. Der „ach-so-geniale“ Erfinder ließ sich in Daschas Gegenwart zu den einfältigsten Bemerkungen hinreißen.
„Den armen Blau hat sie praktisch auf dem Gewissen“, sagte wiederum Miriam. Ihre Abneigung gegen Dascha hatte an dem Tag begonnen, als sie von ihr bei der allerersten Zweierübung draußen vor dem Schloss so grausam mit der Peitsche bearbeitet wurde. Weitere Zwischenfälle und Beobachtungen bestärkten Miriams Antipathie. Dazu gehörte natürlich auch die Sache mit dem armen Blau.
Eigentlich war er unter den drei Helfern der Krähe besonders gefürchtet, weil er am härtesten und grausamsten zuschlug. Zum „armen“ Blau war er geworden, seit die Krähe ihn auf so unheilschwangere Weise der pausbäckigen Krankenschwester überlassen hatte. Seitdem war er nicht wieder aufgetaucht und sein Schicksal bot Anlass zu gruseligen Spekulationen. Vorher allerdings war es offensichtlich gewesen, dass er sich heftig in die gazellenbeinige Blondine verguckt hatte. Morgens im Waschraum, wenn sie unter der Dusche standen, hatte sich Blau zum Neid der anderen Mädchen Dascha stets besonders gründlich gewidmet. „Die muss ja wirklich sehr schmutzig sein da unten“, hatte Miriam einmal Anne zugeraunt, als Blau seine Hand beim „Einseifen“ gar nicht mehr zwischen den Beinen Daschas fortnehmen wollte und er sie schon so in Fahrt gebracht hatte, dass ihr kehliges Stöhnen einfach nicht mehr zu überhören war.
An jenem verhängnisvollen Tag hatte Dascha ihn offensichtlich so umgarnt, das er alle seine Pflichten vergaß. Bis der Räuberhauptmann der – O-Ton Krähe - „Gartenparty voller Faulenzer und Drückeberger“ dann ein Ende bereitete.
„Von mir aus sollte man Dascha geradewegs in die Spezialausbildung stecken“, erklärte jetzt Miriam entschieden.
„Keiner gehört in die Spezialausbildung.“
Das war Sieversens Stimme. Anne schaute überrascht zu ihm hin. Seine Augen waren offen, aber er schien noch nicht ganz wach. Anscheinend hatte er nur den letzten Satz gehört. Schlaftrunken nuschelte er: „Nicht die Spezialausbildung. Viel zu gefährlich. Ihr verliert euch als Stute. Ihr findet nicht mehr heraus. Hört auf, Menschen zu sein. Vielen Betas ist es so ergangen. Nicht die Spezialausbildung.“
Anne wurde bei diesen Worten ganz unheimlich zumute. Sie musste wieder an Florence denken. Was für ein Schicksal drohte ihr? Und was hatte es mit diesem Wort Stute auf sich? Es löste in ihr nicht nur Angst aus. Es klang auf verbotene Weise verlockend.
So viele Gerüchte waren unter den Betas über die Spezialausbildung im Umlauf. Sicher war nur, Anne hatte es ja selbst gehört, dass Rockenbach sie leitete. Dass er dafür eigens einen Assistenten bekam und dass sie in zwei neuen Gebäuden in der Nähe des Sees durchgeführt wurde. Anscheinend wurde auch jede Menge Ausrüstung benötigt, denn hin und wieder rollten große Transporter dorthin, um sperriges Frachtgut abzuliefern. Näher zu sehen, bekam es nie jemand.
Nun würde Anne vielleicht endlich mehr erfahren. Sieversen schien jetzt ganz und gar wach geworden zu sein.
„Was passiert denn dort mit uns Betas?“, fragte sie ihn atemlos.
Die Antwort blieb aus, denn eine Autohupe erklang von draußen. Die Mädchen wurden abgeholt.
„Ich erzähl es nächstes Mal“, sagte Sieversen und den Mädchen war es in diesem Augenblick nur recht. Denn meist war es Rockenbach, der sie in seinem Kleinbus zurückfuhr, und das war kein Alpha, den man warten ließ. Anne und Miriam flitzten zur Couch, wo ihre Zöglingskleidung lag. Hastig und ganz ohne Spielerei zogen sie sich um. Als sie fertig waren, liefen beide aber noch einmal zu Sieversen hin. Sie beugten sich zu ihm in seinen Sessel herunter, drückten ihm einen sanften Kuss auf die Wange und wurden mit seinem wehmütig-empfindsamen Lächeln belohnt.
„Au revoir, meine Damen“, sagte Sieversen.
„Auf Wiedersehen, Herr
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