Bärenmädchen (German Edition)
förmlich vor Freude. Sie schmiegte sich - soweit das überhaupt möglich war - noch enger an ihn. Dann sagte sie mit etwas ängstlicher Stimme: „Dürfte ich etwas fragen, Gebieter?
„Ja, aber nur, wenn du mich ab jetzt Thure nennst.“
Anne verdrehte die Augen. Von diesem Vornamengesäusel hatte sie eindeutig genug. Wo bitteschön blieb denn da die nötige Distanz? Zuviel Nähe zwischen Alpha und Beta führte zu Kummer und Betrübnis. Sie selbst war doch ein düsteres Beispiel dafür.
Dann lauschte sie wieder gespannt dem Fortgang des Gespräches. Ihre Freundin wollte wissen, was auch sie sehr beschäftigte: „Wird es sehr wehtun, wenn wir nachher gezüchtigt werden?“, fragte Miriam
Daraufhin schob der Mann seine Hand unter ihr Kinn und hob es sanft an, so dass sein neuer Zögling ihm direkt in die Augen schauen musste. „Ja, das wird es, aber ich werde bei dir sein“, sagte er.
Miriam nickte mit großen Augen. „Dann will ich es tapfer ertragen, Thure“, sagte sie.
Da küsste sie Mister Oldtimer und das war – von beiden Seiten - so zärtlich und hingebungsvoll, dass Anne unwillkürlich selbst ihre Lippen spitzte, ihre Augen schloss und sich an Miriams Stelle wünschte. Exzentrisches Äußeres und Vornamengesäusel hin oder her – dieser Alpha verhielt sich einfach wundervoll.
Ihr selbst grauste vor dem zweiten Teil des Abends. Schon wenn sie daran dachte, begann das Essen, das sie so hastig heruntergeschlungen hatte, wild in ihrem Magen zu rumoren. Andererseits hoffte sie, dass man sie hier in diesem verborgenen Winkel einfach vergessen würde. Vielleicht fiel es gar nicht auf, wenn sich eine Beta weniger unter der Peitsche wandt.
Ein schwacher Trost war es, zu wissen, dass die Peitsche – obwohl ständig vom Auspeitschen die Rede war - nicht eingesetzt wurde. Stattdessen waren es andere etwas harmlosere Schlaginstrumente. In einer recht schmerzhaften Stunde bei Attila von Ungruhe hatten die Mädchen gelernt, dass die Peitsche, vor allem die Bullenpeitsche, die Rockenbach so gerne bei sich trug, besonders grausam in ihrer Wirkung war. Daher wurde sie praktisch nie bei weiblichen Betas eingesetzt. Die Verletzungen und Narben, die sie verursachen konnte, waren zu schwerwiegend. Meist griffen die Alphas zum Rohrstock und zur sogenannten Gerte, einem etwa einen Meter langen biegsamen Stab, der aus dem Reitsport stammte.
Ein lauter Trommelwirbel ließ Anne wieder zur Bühne blicken. Der Schlossherr stand am Mikrofon und schaute erwartungsvoll ins Publikum, das nun allseits zur Bühne strebte. Auch Miriam, ihr Gebieter und seine beiden Freunde erhoben sich, um weiter nach vorne zu gehen. Nun erlebte Anne also doch noch einen förmlichen Teil des Willkommensfestes.
Abner begann jetzt zu reden: „Erst einmal vielen Dank an meinen Kollegen von der Pariser Niederlassung der Organisation. Monsieur Lacour hat uns an diesem Abend wieder seine ganz hervorragenden ‚La Betas‘ überlassen.“
Der Schlossherr drehte sich um und deutete mit weit ausholenden Armen auf die Band. Alle Frauen auf der Bühne waren bei Abners Worten in die Stehposition gegangen. Also waren es wirklich Betas! Rockstarallüren brauchte man bei denen jedenfalls nicht zu befürchten, dachte Anne, während das Publikum der Band pfeifend, johlend und klatschend applaudierte. Als es wieder etwas leiser geworden war, fuhr Abner fort: „Da wir nun alle vollzählig sind, möchte ich ganz herzlich unsere Ehrengäste begrüßen.“
Der Schlossherr war sichtlich aufgekratzt. Sein Auftritt schien ihm Spaß zu bereiten. Mit großer Geste wies er auf einen schnurrbärtigen Mann in der vordersten Reihe des Publikums. „Arpad Somogy, der Präsident Molduriens. Uns allen bestens bekannt als gern gesehener Gast im Schloss und großer Förderer unserer Organisation.“
Wieder dröhnte der Applaus. Molduriens Präsident nahm es mit einem gönnerhaften Lächeln zur Kenntnis. Seine Gesichtszüge hatten einen deutlich asiatischen Einschlag und ließen ihn sehr verwegen aussehen. So stellte sich Anne einen wilden Kosaken vor. Niemand, den man zum Feind haben mochte, dachte sie. Anne konnte sich noch gut an Abners Worte bei ihrem ersten Gespräch erinnern. Somogys Ego sei ebenso groß wie sein Schwanz. Beides würde sie wahrscheinlich noch gründlich kennenlernen. Lieber nicht, dachte sie unwillkürlich.
Zu ihrer Überraschung kannte sie den nächsten Ehrengast nicht nur gut, sie mochte ihn sogar. Es war Friedrich Sieversen. Sie hatte die schmale
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