Bahama-Krise
amerikanische Küstenwache nicht. Joe Kimble kam auf
Bobby Bowen zu. »Du bist mit dem letzten Tropfen gelandet«, sagte er.
Bowen grinste. »War kein Problem«, sagte er. »Ich habe den Rest von
meinem Feuerzeug dazugeschüttet.«
»Ich lege keinen Wert auf Suchaktionen nach Flugzeugen, die
wegen Spritmangel ins Meer stürzen«, schnauzte Kimble. »Mach das nicht
noch mal!«
»Rollen wir zum Tanken, Bobby«, sagte ich.
Einer der BASRA-Piloten trat vor. »Mein Flugzeug ist frisch
getankt, Mr. Mangan«, bot er an.
Ich nickte und stieg um. Wieder starteten wir, und wenig
später waren auch die anderen in der Luft. Es waren alles Burschen, die
ich kannte. Jungens, auf die man sich verlassen konnte. Wir blieben in
der Luft, solange noch Licht genug war. Von der ›Lucayan Girl‹ fand
sich keine Spur.
Die Tage, die nun folgten, waren schlimm.
Die Leute gingen auf Zehenspitzen um mich herum. Niemand wußte, was er
tun sollte. Schweigsam und zäh vergingen die Stunden. Ich arbeitete
lustlos an den Plänen für die Fusion herum, um irgend etwas zu tun. Ich
fühlte mich wie betäubt. Auf die anderen muß ich gewirkt haben wie ein
Zombie, ein wandelnder Toter. In der Tat wünschte ich mir, ich wäre tot.
»Es hat keinen Zweck, daß wir in dieser Situation weiter
verhandeln«, sagte Billy. »Ruf mich an, wenn die Dinge geklärt sind.«
›Die Dinge‹ – das war Julie, Sue und das Boot. Er flog nach
Houston zurück. Debbie blieb da. Sie war nicht davon abzubringen, daß
jemand sich um Karen kümmern mußte.
Wenn ich heute an jene Tage zurückdenke, dann muß ich sagen,
der Zustand war schlimmer, als wenn ein Todesfall vorgelegen hätte. Es
gab kein Begräbnis, keine Trauerfeierlichkeiten. Es gab nur die
wahnwitzige Hoffnung, das Telefon würde läuten und Julie würde anrufen.
Die Hoffnung, das Rätsel würde sich auf wundersame Weise auflösen,
meine Frau und meine Tochter würden zu mir zurückkehren. Und auch Pete
Albury, den ich wie einen Freund schätzte.
Wann immer das Telefon läutete, auch bei Freunden oder im
Hotel, an der Rezeption, sprang ich hin und nahm ab. Wenn ich nach
Hause kam, schien mir alles wie verhext. Schimmernd und glatt wie ein
Spiegel lag der Swimmingpool da. Und doch regte sich tief in mir etwas
wie Furcht und Zuversicht zugleich, Sue könnte auftauchen und mit einem
Freudenschrei zum Beckenrand schwimmen. Wenn ich auf den Garten
hinaussah, dann achtete ich darauf, ob nicht hinter irgendeinem Busch
der dunkle Haarschopf von Julie zum Vorschein kam. Es hätte ja sein
können, daß sie gerade die Rosen goß und ganz einfach vergessen hatte,
daß ich seit Tagen auf sie wartete.
Es ging mir schlecht. Mit meiner Vernunft, meiner
Selbstbeherrschung war es nicht mehr weit her.
Debbie war bei alledem ganz nett. In den ersten Tagen
versuchte sie mich aufzumuntern. Als sie sah, daß das nicht möglich
war, beschränkte sie sich darauf, mich wenigstens von neugierigen
Reportern abzuschirmen. Sie achtete darauf, daß ich meine Mahlzeiten
einnahm und nicht zuviel Alkohol trank, zumindest nicht allein. Was das
Trinken anging, so bestand bei mir wenig Gefahr. Ich war noch nie der
Ansicht, daß der Griff zur Flasche irgendwelche Probleme lösen kann.
Vor allem kümmerte sich Debbie um Karen. Einmal hörte ich, wie
meine Tochter fragte: »Was ist eigentlich mit Vati los?«
»Dein Vater hat Probleme«, sagte Debbie. »Laß ihn jetzt
möglichst in Ruhe, dann wird alles wieder gut.«
Wir hatten Karen nicht gesagt, daß ihre Mutter und ihre
Schwester spurlos verschwunden waren. Aber früher oder später mußten
wir ihr klaren Wein einschenken. Ich dachte damals viel darüber nach,
ob der Tod der Mutter für ein neunjähriges Mädchen sehr schlimm ist.
Wie ich hoffte, konnte sie noch gar nicht so recht ermessen, was das
bedeutete. Trotzdem schauderte ich bei dem Gedanken, daß ich ihr eines
Tages die Wahrheit sagen mußte.
Was Julies Eltern anging, so dauerte es zwei Tage, bis ich sie
erreichte. Ich wußte nur, daß sie von Maryland mit dem Wagen nach Miami
unterwegs waren, wo sie Julie im Hotel ›Fontainebleau‹ treffen wollten.
Ich hinterließ für sie eine Botschaft im Hotel, in der ich sie bat,
mich sofort anzurufen.
Aber es vergingen achtundvierzig Stunden, bis ich sie am
Apparat hatte. Ellen, die Mutter, sprach. »Julie ist nicht im Hotel«,
sagte sie. »Ist sie aufgehalten worden?«
»Kann ich mit Vater sprechen?«
»Natürlich.« Ihre Stimme klang besorgt. »Ist irgendwas
passiert,
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