Ball der Vampire
während ich noch meinen Lippenstift dort platzierte, wo er hin sollte.
Bei diesen Worten zog ich ruckartig den Kopf zurück und starrte ihm direkt in die Augen. Andre starrte zurück. Er hielt mich immer noch fest in den Armen, aber mir war klar, dass er nur sichergehen wollte, dass unser Geruch an dem jeweils anderen auch wirklich haften blieb. Er war ganz eindeutig nicht an der Sache selbst interessiert - was für eine Erleichterung.
»Was?« Ich war mir sicher, dass ich ihn falsch verstanden haben musste. »Ich habe was?«
»Dafür hat er eine Nase, mein Andre«, sagte die Königin und konnte einen Anflug von Stolz nicht verhehlen.
»Ich habe heute einige Stunden mit meiner Freundin Claudine verbracht«, erklärte ich. »Sie ist eine Elfe. Deshalb rieche ich so.« Ich sollte wahrscheinlich dringend mal duschen.
»Erlauben Sie?« Ohne eine Antwort abzuwarten, kratzte Andre mit dem Fingernagel meinen verwundeten Arm genau über dem Verband.
»Autsch!«, rief ich protestierend.
Er ließ ein wenig Blut auf seinen Finger tropfen, nahm es in den Mund und rollte es auf der Zunge hin und her wie ein Weinkenner den Wein bei der Probe. Schließlich sagte er: »Nein, dieser Geruch ist nicht von einer befreundeten Elfe. Er ist in Ihrem Blut.« Andre sah mich in einer Weise an, die mir zu verstehen gab, dass seine Worte das zu einer bewiesenen Tatsache machten. »Sie haben einen Hauch von Elfe in sich. Vielleicht waren Ihre Großmutter oder Ihr Großvater halbe Elfenwesen?«
»Davon weiß ich nichts«, erwiderte ich und wusste, wie dumm das klang. Doch etwas anderes fiel mir nicht ein. »Wenn irgendwer von meinen Großeltern etwas anderes als ein hundertprozentiger Mensch war, so haben sie diese Information nicht weitergegeben.«
»Das tun sie meistens nicht«, meinte die Königin völlig selbstverständlich. »Die meisten Menschen mit Elfenherkunft verbergen diese Tatsache, da sie oft selbst nicht daran glauben können. Ihnen ist es lieber, ihre Eltern für verrückt zu halten.« Sie zuckte die Achseln. Unglaublich. »Aber dieses Elfenblut würde erklären, warum Sie Verehrer aus der übernatürlichen Welt haben und keine menschlichen.«
»Ich habe keine menschlichen Verehrer, weil ich keine haben will«, erklärte ich gekränkt. »Ich kann ihre Gedanken lesen, und das wirft sie eben aus der Bahn. Wenn sie sich nicht schon vorher von meinem Ruf, ziemlich verrückt zu sein, abschrecken lassen.« Tja, da war ich mal wieder auf dem Pfad Zu-ehrlich-für-diese-Welt gelandet.
»Wirklich traurig, dass es unter den Menschen keinen gibt, der für eine Person mit telepathischen Fähigkeiten erträglich wäre«, sagte die Königin.
Das fasste den Wert telepathischer Fähigkeiten ziemlich bündig zusammen, und ich beschloss, es besser dabei zu belassen und das Gespräch nicht fortzusetzen. Ich hatte sowieso eine ganze Menge, worüber ich nachdenken musste.
Dann gingen wir die Treppe hinunter, Andre voraus, die Königin als Nächste und ich hinter ihnen her. Andre hatte darauf bestanden, dass ich meine Schuhe auszog und meine Ohrringe abnahm. So wäre es glaubwürdiger, dass ich mich ausgezogen hatte und nur schnell wieder in meine Kleider geschlüpft sei, meinte er.
Die anderen Vampire warteten gehorsam im Hof und nahmen sofort Haltung an, als wir herunterkamen. Jade Flower verzog keine Miene, als sie die Anzeichen musterte, die auf das hindeuteten, was wir in der letzten halben Stunde getrieben haben sollten. Aber immerhin blickte sie nicht skeptisch drein. Die beiden Berts sahen uns wissend, aber desinteressiert an, so als wäre es eine von Sophie-Annes üblichen Beschäftigungen, ihrem Bodyguard beim Sex mit einer Fremden zuzusehen.
Rasul, der in der Einfahrt stand und auf Anweisungen für die Limousine wartete, sah uns mit leichtem Bedauern an, als wäre er am liebsten bei unseren Aktivitäten dabei gewesen. Quinn dagegen presste seine Lippen so fest aufeinander, dass keine noch so feine Nadel mehr dazwischen gepasst hätte. Da würde ich noch so einiges zu erklären haben.
Als wir Hadleys Apartment verließen, hatte mir die Königin allerdings eingeschärft, dass ich niemandem von ihrer Geschichte erzählen dürfe, mit Betonung auf niemandem . Jetzt musste ich mir also nur noch einen Weg ausdenken, Quinn davon wissen zu lassen, ohne es ihm zu erzählen.
Die Vampire machten keine großen Umstände und stiegen relativ zügig in die Limousine ein. Mein Hirn war so angefüllt mit Ideen, Mutmaßungen und allem, was es
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