Ball der Vampire
Halleigh?«, fragte ich.
»Sie ist drinnen in der Schule und weint sich die Augen aus dem Kopf«, sagte er. »Wir müssen diesen Jungen finden.«
»Was hat Bud gesagt?« Ich trat durchs Tor auf den Schulhof.
»Frag nicht«, erwiderte er. »Wenn du irgendwas für uns tun kannst - wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können.«
»Damit könntest du dich aber in Schwierigkeiten bringen.«
»Du dich auch.«
»Wo sind die Leute, die in der Schule waren, als er wieder hineinlief?«
»Die sind alle drinnen, außer der Direktorin und der Hausmeisterin.«
»Die beiden habe ich vorn gesehen.«
»Ich hole sie auch rein. Die Lehrerinnen sind alle in der Cafeteria. Dort ist an der einen Seite ein kleines Bühnenpodium. Setz dich hinter den Vorhang und schau mal, ob du irgendwas aufschnappen kannst.«
»Okay.« Eine bessere Idee hatte ich auch nicht.
Dann ging Andy, um die Direktorin und die Hausmeisterin ebenfalls hereinzuholen.
Ich betrat den Flur des linken Gebäudeflügels. Vor jedem Klassenraum hingen bunte Kinderbilder an den Wänden. Ich betrachtete die kleinen Szenen mit den Strichmännchen beim Picknicken und beim Angeln, und Tränen traten mir in die Augen. Zum ersten Mal wünschte ich mir, ich hätte eine hellseherische Gabe statt einer telepathischen. Dann könnte ich mir vergegenwärtigen, was Cody zugestoßen war, anstatt warten zu müssen, bis jemand daran dachte. Ich war noch nie einem echten Hellseher begegnet, konnte mir aber vorstellen, dass es eine ziemlich zweischneidige Begabung sein musste. Eine, die in manchen Situationen nicht eindeutig genug war und in anderen wiederum zu eindeutig. Da war meine kleine Eigenart sehr viel zuverlässiger, und ich redete mir ein, dass ich diesem Jungen helfen konnte.
Auf dem Weg zur Cafeteria löste der Schulgeruch eine Welle von Erinnerungen in mir aus. Die meisten waren schmerzlich, nur einige angenehm. Als ich so klein war wie die Kinder hier, hatte ich meine telepathischen Fähigkeiten noch nicht im Griff gehabt und nicht gewusst, was eigentlich mit mir los war. Meine Eltern hatten mich durch alle erreichbaren psychiatrischen Institutionen geschleust, was mich meinen Schulfreunden noch stärker entfremdete. Aber die meisten Lehrer waren freundlich gewesen. Sie sahen, dass ich mich bemühte zu lernen - aber irgendwie dauernd von etwas abgelenkt war, und zwar nicht aus reinem Mutwillen. Der Geruch von Schulkreide, Reiniger, Papier und Büchern brachte all das wieder zurück.
Ich erinnerte mich an die Flure und die Klassenzimmer, als hätte ich die Schule gerade erst verlassen. Die pfirsichfarbenen Wände waren früher cremeweiß gewesen, und den Fußboden hatte damals braunes Linoleum bedeckt statt des robusten graugesprenkelten Teppichs heute. Doch das Gebäude selbst war unverändert. Ohne zu zögern, schlüpfte ich durch eine Hintertür auf die kleine Bühne, die das eine Ende der Cafeteria bildete. Wenn ich mich nicht täuschte, war das früher der »Mehrzweckraum« gewesen. Der Speisebereich konnte mit Falttüren abgetrennt und die Tische, die aufgereiht dastanden, zusammengeklappt und zur Seite geräumt werden. Doch jetzt waren die Tische in ordentlichen Reihen aufgestellt, und es saßen lauter Erwachsene um sie herum, abgesehen von ein paar Lehrerkindern, die bei ihren Müttern in den Klassenzimmern gewesen waren, als der Alarm ausgelöst worden war.
Ich setzte mich auf einen kleinen Plastikstuhl hinter den Vorhang, schloss die Augen und begann mich zu konzentrieren. Nach und nach verlor ich das Gefühl für meinen Körper, als ich alle äußeren Reize ausschloss und mein Geist frei im Raum umherzuwandern begann.
Es ist meine Schuld, meine Schuld, meine Schuld! Warum hab ich nicht gemerkt, dass er nicht zurückgekommen ist? Oder hab ich ihn übersehen? Ist er vielleicht in ein Auto gestiegen, ohne dass ich es gesehen habe?
Die arme Halleigh. Sie saß ganz allein da, und der Haufen zerknüllter Taschentücher vor ihr zeigte deutlich, wie sie ihre Wartezeit zubrachte. Sie war völlig unschuldig, also setzte ich meine Erkundungen fort.
Lieber Gott, ich danke dir, dass es nicht mein Sohn ist, der vermisst wird...
... nach Hause gehen und Kekse essen ...
Ich schaff's nicht mehr, noch das Fleisch für die Hamburger einzukaufen. Vielleicht sollte ich Ralph anrufen, damit er was von Sonic holt... aber wir haben schon gestern Abend Fast Food gegessen, keine gute Idee ...
Seine Mutter ist Kellnerin in einer Bar, wie viele zwielichtige Männer die wohl
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