Balla Balla
und Haaren und auf der Stelle verspeisen. »Und, schon was vor, heute Abend?«
Ne, eigentlich nicht, dachte Plotek, sagte aber nichts, sondern zählte die Buchstaben auf dem T-Shirt und kam dabei auf fünf. Fünf Buchstaben. Also wieder ein Geheimzeichen der Illuminaten.
»Na, dann komm mal mit.« Die Frau packte ihn kurz entschlossen am Arm und hakte sich bei ihm unter. Und schon gingen sie in flottem Tempo den Gehsteig entlang. Wohin, war ihm unklar. Sagen konnte er nichts, dafür war das süß und puderig nach Honig und Vanillebonbons riechende Parfüm der Frau zu aufdringlich und der Griff zu fest. Wie ein Schwerverwundeter ging Plotek etwas steif neben der Frau her, die noch immer auf ihn einredete, als wäre Plotek ein Kind, dem man alles erklären musste, oder einfach nur schwer von Begriff.
»Wir machen es uns jetzt gleich ein wenig gemütlich, ja, mein Süßer, was?«
War das eine echte Frage oder eine rhetorische, dachte Plotek und dann fiel ihm der Begriff »Nuttendiesel« wieder ein, den sie früher als Heranwachsende in der ostalbschwäbischen Kleinstadt für einen derartigen Geruch gerne und abschätzig grinsend verwendet hatten.
»Da wären wir«, sagte die Frau und blieb vor einem Haus mit der Nummer 23 stehen.
Das kann doch kein Zufall mehr sein, dachte Plotek.
»Wie alt sind Sie eigentlich?«, fragte er, während die Frau den Griff ein wenig lockerte, um einen Schlüssel aus ihrer kleinen Handtasche zu fingern.
Die Frau sah Plotek an, als hätte er nicht nach ihrem Alter gefragt, sondern nach ihrem Kontostand.
»23!«, antwortete sie.
»Nein«, entfuhr es Plotek, kaum hörbar.
Die Frau lächelte wissend und versuchte mit dem Schlüssel das Etablissement aufzusperren, hinter dessen Tür Plotek all das vermutete, was er sich gar nicht vorstellen wollte. Entweder befindet sich hier die Schaltzentrale der Illuminaten, das Pentagon von St. Pauli, dachte er, oder ein schmuddeliges, nach Schweiß und Sperma riechendes Fickstübchen, in dem man frei Haus alle Hautkrankheiten, die es nur gibt, angedreht kriegt. Plotek war nicht prüde, nein, ganz im Gegenteil. Fast alles, was im sexuellen Bereich schon mal auf der Agenda gestanden hatte, hatte er durchprobiert. Auch Nutten kamen in seinem Vokabular vor, zwar selten, aber immerhin. Doch nach einem Film über Illuminaten, einem Joint, bewusstseinsauflösenden Erfahrungen auf einem Klo, einer noch immer latent vorhandenen pathologischen Detailversessenheit und mehreren Weißbieren konnte er sich jetzt ganz bestimmt etwas Besseres vorstellen, als von einer stinkenden Prostituierten in einem heruntergekommen, muffigen Hinterhofzimmer auf einer durchgelegenen Couch seinen Geldbeutel leeren zu lassen.
Noch ehe die Frau sich versah, löste sich Plotek aus ihrem Klammergriff, legte auf dem Asphalt von St. Pauli einen Blitzstart hin und machte sich, den schnaubenden Atem der Nutte und die Angst im Nacken, auf und davon.
»He, bleib stehen!«, hörte Plotek die Frau gar nicht freundlich rufen. Aber da war er schon längst über alle Berge und zählte die Buchstaben der Worte, die ihm die Frau auf den Weg mitgegeben hatte: He, bleib stehen – zwei plus fünf plus sechs gleich dreizehn. Puh, Glück gehabt, dachte Plotek. Dann hörte er leise und nur durch einen leichten Rückenwind begünstigt, »Schwuchtel!«. Macht zehn, sind zusammen – 23!
Völlig erschöpft musste er sich zwei Straßen weiter von der für ihn ungewöhnlichen körperlichen Anstrengung ausruhen. Vornübergebeugt stützte er sich auf den Knien ab. So ein Quatsch, das alles, dachte er, das mit den Illuminaten und dem ganzen Scheiß. Aber da drehte sich schon wieder alles um ihn herum. Schweiß perlte auf seiner Stirn wie ein billiger Spumante und bildete vor seinen Füßen eine kleine Pfütze.
Als er sich ein wenig erholt hatte und schwerfällig aufrichtete, sah er, nicht weit von sich entfernt, eine Frau, die ihm bekannt vorkam. Das war Schwester Sieglinde, die auf der anderen Straßenseite der Hafenstraße unterwegs war. Jetzt in zivil, dachte Plotek. Ohne lange zu überlegen, folgte er ihr in sicherem Abstand, bis sie an der nächsten Straßenkreuzung in einen gelben Beetle einstieg. Ob das der von Maike war? Keine Ahnung. Wie viele Beetle gab es in Hamburg? Wieder keine Ahnung. Und wie viele davon waren gelb? Egal. Er konnte nur noch die Zahl auf dem Nummerschild des davonfahrenden Autos erkennen: 235.
23 und 5, dachte Plotek, das wird ja immer kurioser. Er wischte sich mit der
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