Ballade der Leidenschaft
Blüten waren zu hören, die tschilpenden Sperlinge im Obstgarten, ein schwatzender Zaunkönig auf dem Zweig eines Apfelbaums. Vom Mühlteich her erklang wieder das Gelächter der Männer. Ben hatte einmal bemerkt, wie selten vollkommene Stille vorkam, und in diesem Moment gab Rose ihm recht.
Noch immer scharrte Harolds Stiefelspitze über das Holzbein der Bank. Ein Beet voller duftender Minze schien Carls ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Schließlich holte Harold rief Atem. „Also, Mattys Nachricht – sie dankt Euch für alles, was Ihr für sie getan habt, Mylady …“
„Und dass sie Eure Zofe sein durfte“, fügte Carl hinzu.
Harold nickte. „Ja, genau. Aber es tut ihr leid – sie kommt nicht zurück.“
„Vorerst nicht“, ergänzte Carl.
Cecily wischte sich über die Stirn. „Offenbar bin ich heute etwas begriffsstutzig. Es muss an der Hitze liegen. Sagtet ihr, Matty kommt nicht zurück?“
„So ist es, Mylady. Sie übernachtet in Evies neuem Haus. Und dann – und dann …“
Langsam stand Cecily auf. „Es geht um Sir Richard, nicht wahr? Versucht ihr, mir zu erzählen, sie würde Sir Richard folgen?“
„Ja, Mylady“, bestätigte Carl, „sie folgt Sir Richard.“
„Noch in dieser Nacht?“ Sie packte seinen Arm. „Seid ihr sicher, dass sie nicht allein ist?“
„Ganz sicher, Mylady. Sie ist bei Evie und Leofwine in Winchester.“
Da seufzte sie erleichtert. „Gott sei Dank! Die beiden werden sie zur Vernunft bringen. Und morgen schicken wir jemanden zu ihnen, der Matty hierher zurückholt, wo sie hingehört.“
„Ja, Mylady. Danke, Mylady.“
Die Jungen verneigten sich und verließen den Kräutergarten. Eine Hand auf ihren gewölbten Bauch gelegt, sank Cecily auf die Bank zurück, hob die Brauen und schaute Rozenn an. Kopfschüttend murmelte sie etwas Unverständliches vor sich hin.
„Wie, bitte?“
„Ach, du meine Güte!“ Cecilys Augen funkelten voller Belustigung. „Was die Balladen dieser Sänger alles anrichten …“
Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, ging Ben mit Adam in den Stall. Sie hatten am Vorabend Herzog Hoëls Pläne erörtert, bis in die Nacht hinein. Und nun wollte Ben ein persönliches Anliegen vorbringen. Gähnend trug er einen Ledereimer zum Wassertrog.
„Ist es zu früh für dich?“, fragte Adam grinsend. Noch vor dem Freund erreichte er den Trog und tauchte seinen Eimer ins Wasser.
Stöhnend bewegte Ben die Schultern. Im Gemeinschaftsraum von Fulford Hall hatte er nicht allzu gut geschlafen. Doch das lag weder an der Umgebung noch an der Matratze. Man hatte ihm einen Schlafplatz in der Junggesellenecke zugewiesen. Am anderen Ende, bei den unverheirateten Frauen, lag Rose. Obwohl sie im gleichen Raum lag, vermisste er sie, ihre Wärme, ihren Duft, ihren weichen Körper. Verdammt, und er vermisste ihre Gespräche. Ohne Rose an seiner Seite war die Nacht leer und viel zu dunkel; die wenigen Meter, die ihn von ihr trennten, erschienen ihm wie eine breite Kluft. Voller Sehnsucht warf er sich stundenlang hin und her. Bis zum Morgengrauen hatte es eine halbe Ewigkeit gedauert.
Adam musterte ihn nachdenklich. „War die Matratze zu hart? Oder die Nacht zu kurz?“ Als er noch breiter grinste, merkte Ben, dass sein Freund aus seinen müden Augen längst seine eigenen Schlüsse gezogen hatte. Zweifellos erinnerte Adam sich daran, dass Ben vor Jahren schon einmal gewünscht hatte, Rose zu heiraten, und verstand die Gründe für seine innere Unrast.
Ben füllte seinen Eimer mit Wasser und bezwang den Impuls, es Adam ins Gesicht zu schütten. Immerhin wollte er ihn um einen Gefallen bitten.
Statt seinem Zorn Luft zu machen, stapfte er also in den Stall zurück und sah zu, wie Adam sein Schlachtross Flame ins Freie führte, einen großartigen Fuchs, zweifellos eines Ritters würdig, der die besondere Gunst des Königs genoss.
Adam bedeutete einem Burschen, den Stall auszumisten, und Ben bemerkte: „Sicher hattest du es in deinem Schlafgemach viel gemütlicher – zusammen mit deiner bezaubernden Lady.“ Er ließ Piper und Pech in ihren Boxen zurück und folgte seinem Freund in den Hof. „Und du könntest mich wenigstens ein bisschen bemitleiden. Zwischen Brian und Maurice eingepfercht, musste ich die ganze Nacht einem Schnarchduett lauschen.“
Über dem Dach von Fulford Hall stieg die Sonne immer höher. Ein Junge spannte ein Maultier vor einen Karren. Im Morgenlicht glänzten Sicheln und Heugabeln. Noch ein heißer Tag kündigte
Weitere Kostenlose Bücher