Ballade der Leidenschaft
weilte. Er hatte sie hierher begleitet, und vielleicht würde er sogar ein paar Tage in Fulford verbringen. Eine Woche, möglicherweise sogar einen Monat. Denn das war Adams Burg, und die beiden Freunde hatten sich versöhnt. Aber danach würde er seine Lautentasche schultern, auf Pipers Rücken steigen und …
Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen. Gegen diesen Tag musste sie sich wappnen. Sie würde Haltung bewahren. Ganz bestimmt. Als sie sich zu Cecily wandte, las sie tiefe Sorge in deren blauen Augen.
„Nach der langen Reise bist du müde, Rose, und solltest dich ausruhen. Kommt, ich bringe dich in ein ruhiges Zimmer, und du legst dich für eine Weile hin.“ Cecily ergriff sie am Ellenbogen und wollte sie aus dem Kräutergarten führen.
„Nein, danke, es geht mir gut“, erwiderte Rose. Angelegentlich musterte sie die Kräuterbeete, die sie erst jetzt wahrnahm. In geordneten Reihen wuchs Lavendel, Haselnusshecken umfriedeten den gepflegten Garten. „Zeig mir lieber deine Kräuter.“ Irgendwie musste sie sich von dem Kummer ablenken, den ihr der Gedanke an Bens Abreise bereitete. „Allem Anschein nach hast du die Beete erst vor Kurzem bepflanzt.“
Cecilys Miene erhellte sich. „Ja, den alten Garten ließ meine Mutter anlegen und alles wild wuchern. Dieser wurde nach Adams Anweisungen gestaltet, und die Aussaat erfolgte kurz vor der Fastenzeit. Sieh doch, wie prächtig dieser Lorbeerbaum gedeiht, und der Rosmarin.“ Leise lachte sie. „Verzeih meine Begeisterung, ich bin eher eine leidenschaftliche Gärtnerin als eine eifrige Schneiderin.“
„Was ich über Gärtnerei weiß, würde gerade in ein Nadelöhr passen.“
„Vielleicht sollten wir einander Unterricht geben.“
Dazu wusste Rozenn nichts zu sagen. Cecilys Freundlichkeit wärmte ihr das Herz. Doch wenn sie sich entschloss, in Fulford zu leben, würde Ben nicht bei ihr sein … Bedrückt biss sie auf ihre Lippen und merkte nicht, dass die Schwägerin auf eine Antwort wartete. Wie könnte Ben auch bleiben? Ein fahrender Sänger würde nirgendwo Wurzeln schlagen. Nein, falls sie sich in Fulford niederließ, würde sie ihn nur selten sehen. Zweifellos würden seine Wege ihn hin und wieder nach Wessex führen. Aber genügte ihr ein jährlicher Besuch?
Ihr Blick verschleierte sich. Nur einmal im Jahr? Öfter sollte sie Ben nicht sehen? Welch eine Zukunft wäre das?
Blindlings wandte sie sich zu der Frau, die Adam geheiratet hatte. „Oh Cecily …“ Ihre Stimme brach, und sie traf ihre Entscheidung. Sobald Ben seine Abreise ankündigte, gab es für sie nur eine einzige Möglichkeit.
„Komm, Rose“, bat Cecily in sanftem Ton und nahm sie bei der Hand, führte sie zu einer Bank neben einem Rosmarinbusch, und sie setzten sich. „Obwohl wir einander kaum kennen, spüre ich deinen Kummer. Wenn du mich als Freundin betrachten und dich mir anvertrauen kannst, würde ich mich geehrt fühlen.“ Ein weißer Schmetterling flatterte vorbei, und ihr Blick folgte ihm. „Vielleicht solltest du damit beginnen, mir zu erklären, was du für den charmanten Benedict empfindest …“ Lächelnd sah Cecily sie an; offenbar bemerkte sie ihre Verwirrung. „Falls mich nicht alles täuscht, liebst du ihn.“
Rose schluckte krampfhaft. „Ja, ich …“
„Nun …“ Cecily legte den Kopf schief. „Weißt du, was ich glaube? Er liebt dich auch.“
„Nein, nein, da irrst du dich. Gewiss, er mag mich. Aber er liebt nur seine Musik – und seine Reisen. Zudem führt er ein geheimes Doppelleben, das er so wichtig nimmt, dass er mir nichts darüber erzählt. Vermutlich arbeitet er für den Herzog der Bretagne … Oh – das hätte ich nicht sagen dürfen …“
„Was seine Gefühle betrifft, befindest du dich im Irrtum. Ganz sicher liebt er dich.“
Fassungslos sah Rose ihre Schwägerin an, die so temperamentvoll nickte, dass ihr Schleier verrutschte. „Ohne jeden Zweifel. Aber was ich nicht verstehe, ist diese Sache mit Sir Richard of Asculf.“
Rose seufzte. Wie kompliziert das alles war … Sie musste Adams Gemahlin die Wahrheit gestehen. Ob es an Cecilys Erziehung im Kloster lag, wusste sie nicht. Jedenfalls fand sie, dass die liebenswerte Frau nichts anderes als die Wahrheit verdiente. „Schon immer träumte ich von einer wunderbaren Zukunft. Wie in einer von Bens Balladen …“ Von Cecilys teilnahmsvollem Blick ermutigt, fuhr sie lächelnd fort. „Sicher hast du ähnliche Balladen gehört. Eine junge Dame begegnet einem hübschen
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