Ballade der Leidenschaft
plauderten über belanglose Dinge, die Hitze des Tages, den mangelnden Regen. Wenig später wanderte Ben davon, und Rose schaute seiner schlanken Gestalt nach, die sich einen Weg durch das Gedränge der Stadtbewohner bahnte und schließlich aus dem Blickfeld verschwand.
Als sie Anton in der Menschenmenge entdeckte, verbannte sie Ben aus ihren Gedanken und winkte den Jungen zu sich. „Du kannst dir etwas dazuverdienen, wenn du für eine kleine Weile auf meinen Tisch aufpasst. Ich muss mit Mark reden.“
„Ja, Madame.“ Schon öfter hatte Anton sie an ihrem Marktstand vertreten.
„Ich bin gleich wieder da.“
Inzwischen hatte das Getümmel etwas nachgelassen, was Rozenn für einen Segen hielt. Sie eilte zu Marks Stand am anderen Ende des Platzes. Auf seinem Tisch lagen, wie auf ihrem eigenen, Seiden und Leinen und Wollballen. Doch er war viel besser bestückt. Kunstvoll arrangiert, erweckten die Stoffe den Eindruck, sie wären wahre Schnäppchen. Aber Rose und die halbe Stadt wussten, welch hohe Preise der Händler verlangte.
Sobald er sie auf sich zukommen sah, leuchteten seine Augen auf.
„Monsieur, ich möchte mich entschuldigen, weil ich Euch so abrupt abgefertigt habe.“
„Nicht nötig, Madame. Vielleicht war ich selber ein wenig zu schroff.“
Bedeutsam spähte er durch den Torbogen in den Burghof, wo Ben mit Lady Alis sprach. Natürlich. Nicht weit davon entfernt lungerte der rothaarige Fremde mit der spitzen Nase im Eingang zum Stall herum. Seltsam – plötzlich sah sie ihn überall.
„Im Gegensatz zu anderen Männern“, fügte Mark hinzu und wies mit dem Kinn auf Ben, „bin ich außer Übung, was die Umwerbung schöner Damen betrifft.“
„Bitte, darum geht es nicht.“ Errötend hob Rozenn eine Hand. Dann zeigte sie zu ihrem Marktstand hinüber, den Anton hütete. „Ich habe mir Euer Angebot überlegt, Pers restliche Ware zu kaufen. Seid Ihr interessiert?“
Marks Augen verengten sich. „Habt Ihr immer noch dieses grüne Leinen?“
„Einen halben Ballen.“
„Und die braune Wolle – das edle Gewebe, nicht das einfache, grobe?“
„Das ist leider ausverkauft. In Rostrot gibt es noch was.“
„Eine halbe Länge?“
„Nein, eine ganze.“
„Gut, die nehme ich.“ Mark nannte einen Preis, nicht besonders großzügig, aber akzeptabel.
„Und die übrige Ware?“ Hinter dem Torbogen griff Ben nach Lady Alis’ Hand und zog sie mit lässiger Galanterie an die Lippen. Rozenn biss die Zähne zusammen. Nur mühsam gelang es ihr, sich auf die Verhandlung mit Mark zu konzentrieren. „Wollt Ihr die auch?“
„Möchtet Ihr nicht einige Stoffe für den eigenen Gebrauch behalten?“
In Gedanken immer noch bei der Szene im Schlosshof, schüttelte sie den Kopf. „Mit so viel Gepäck kann ich mich nicht belasten. Bald werde ich abreisen – nach England.“ Eigentlich hatte sie Mark diese Pläne nicht verraten wollen, bevor sie mit ihrer Pflegemutter Ivona über Adams Wunsch gesprochen hatte. Aber sein Heiratsantrag zwang sie dazu. Wenn sie ihn auch nicht mochte – es widerstrebte ihr, seine Gefühle zu verletzten. Deshalb wollte sie einen guten Grund für ihre Ablehnung angeben.
„Ihr wollt Quimperlé wirklich verlassen und nach England fahren?“ Mark riss die Augen auf. „Davon hörte ich noch gar nichts.“
„Tut mir leid.“ Sie lächelte gezwungen. „Euer Heiratsantrag hat mich so überrumpelt, dass ich gar nicht darauf kam, es zu erwähnen … Tatsächlich fasste ich meinen Entschluss erst vor ein paar Tagen. Aber ich reise nach England. Der neue englische König, der normannische Herzog William, gewährte meinem Bruder Adam einen Landsitz im Süden, und er erwartet mich dort.“
Nachdenklich runzelte Mark die Stirn. „Eine so weite Reise, ganz allein … Für eine junge Frau ist das sehr gefährlich.“
Rozenn reckte das Kinn. „Trotzdem werde ich hinfahren!“ Als ihr auffiel, wie trotzig das klang, berührte sie seinen Arm und beteuerte in milderem Ton: „Natürlich weiß ich Euren Antrag zu schätzen, Monsieur. Aber ich bin zum ersten Mal frei, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, und ich möchte meinen Bruder wiedersehen. Vielleicht werde ich mich in England niederlassen.“
„Dabei geht es um Adams Freund, diesen normannischen Ritter, nicht wahr?“
Sie warf einen Blick durch den Torbogen, konnte aber Ben und Lady Alis nicht mehr entdecken. Der Rotschopf lehnte immer noch am Pfosten der Stalltür. Nach der Richtung seines Blicks und den zynisch
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