Ballade der Leidenschaft
verbessern. Wenn man bedachte, wie viele Frauen ihn anschmachteten, tat er sogar sein Bestes, um einen gewissen Ruf zu wahren.
Wegen meines üblen Leumunds erscheinen die Leute scharenweise, wo immer ich auftrete. Hatte er ihr das nicht selbst erklärt?
Nur weil sie mich für einen Dämon halten, wollen sie meinen Gesang hören.
„Kein Löwe, sondern ein Dämon“, flüsterte sie, zog ihre Strümpfe aus und krümmte die Zehen. „Ein hübscher, Herzen brechender, flatterhafter Dämon, der sich nicht für alles Gold im Herzogtum einfangen ließe …“ Das ging sie im Grunde nichts an. Trotzdem stellte sie fest, dass es sie traurig machte.
Draußen auf dem Treppenabsatz ertönten leichtfüßige Schritte, die Vorhangringe klirrten, und der Dämon trat ein. Geradezu schmerzhaft gut aussehend, mit wohlgeformter Gestalt, glänzendem dunklem Haar und seelenvollen Augen hinter langen schwarzen Wimpern. Ein Herzensbrecher. Wo würde er schlafen?
„Bitte sehr, Madame, Eure Sachen“, verkündete er und legte das Gepäck neben die leere Kohlenpfanne.
Wie Rozenn unsinnigerweise bemerkte, stand er auf Marks welker Ringelblume, die zu Boden gefallen war.
„Besten Dank, werter Herr.“ Den Rücken kerzengerade, löste sie die Nadeln aus ihrem Schleier und entwirrte den Zopf.
Eine Zeit lang stand Ben reglos da, bevor er langsam zum Bett ging, ein schiefes Lächeln auf den Lippen. Irenes bestes Schlafgemach schien auf ein Zehntel seiner Größe zu schrumpfen. „Gern geschehen, kleine Blume.“
Rozenn wünschte, er würde aufhören, ihren Mund zu betrachten. Denn es weckte eine unwillkommene Sehnsucht … Entschlossen riss sie den Blick von seinem Gesicht los, glättete ihr Haar und begann es erneut zu flechten.
„Tun deine Beine sehr weh, Rose?“
Sie nickte.
„Dagegen habe ich ein Heilmittel.“ Er nahm ihr den halb geflochtenen Zopf aus der Hand, zupfte behutsam daran und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen.
„Ein H…Heilmittel?“ Oh Gott, schon wieder sah er ihre Lippen an und schenkte ihr jenes Lächeln, dem es jedes Mal gelang, ihr Inneres zum Schmelzen zu bringen. Wie aus heiterem Himmel verspürte sie das Bedürfnis, Bens Kinn zu berühren, die rauen Bartstoppeln zu fühlen. Tatsächlich, ein Dämon …
„Ja, ein Heilmittel.“ Ein letztes Mal zog er an ihrem Zopf, dann ließ er ihn los. „Hinter dem Gasthof gibt es ein Badehaus. Möchtest du hingehen?“
Rozenn blinzelte. Was, ein Badehaus? Also war das Heilmittel ein Bad, das sie nehmen sollte? Sekundenlang hatte sie gedacht …
„Rose?“
„Ein B…Bad?“
„Ja, Rose, ein Bad.“
„Im städtischen Badehaus?“
„Wo sonst?“, erwiderte er achselzuckend.
Ihre Gedanken überschlugen sich. Nur Ben konnte die Frechheit besitzen, ihr einen solchen Vorschlag zu machen. Rozenn war eine respektable Frau. Und eine respektable Frau besuchte niemals öffentliche Badehäuser, mochte ihr ein entspannendes Bad auch noch so verlockend erscheinen. Das Badehaus von Hennebont mochte vielleicht einen besseren Ruf genießen als Genevieves Etablissement in Quimperlé …
Auch wenn Ben die Stirn runzelte, seine Stimme verriet seine Belustigung. „Dort droht dir keine Gefahr. Dafür werde ich sorgen.“
Ivona wäre entsetzt. Aber Rozenn fühlte sich erhitzt und unbehaglich, und der Gedanke, in einem Wasserzuber zu liegen, schien wirklich verlockend. Außerdem war ihre Pflegemutter einen Tagesritt weit weg. Und wer in Hennebont kannte Rose und würde sich um ihren Aufenthalt im Badehaus kümmern?
Niemand. Der Einzige, auf dessen Meinung sie hier Wert legte, war dieser unrasierte Dämon.
Plötzlich wurde sie von einem wunderbaren Gefühl grenzenloser Freiheit erfasst. Niemand würde es wissen. Ein schwindelerregendes Gefühl. Lächelnd schaute sie zu Ben auf. „Oh, ein Bad – das klingt himmlisch. Vorausgesetzt, du bleibst in der Nähe“, fuhr sie hastig fort. Dass sie sich womöglich vor fremden Leuten entkleiden musste, erschreckte sie immer noch. „Allein gehe ich da nicht hin.“
Ben trat vom Bett zurück und verneigte sich. „Stets zu Euren Diensten, Madame. Wenn Ihr es wünscht, bin ich Euer Leibdiener.“
„Was, mein Leibdiener?“, rief sie erschrocken, dann bemerkte sie den gutmütigen Spott in seinen Augen. Sie stand auf und humpelte möglichst würdevoll zu ihrem Ranzen. „Werden in Badehäusern Handtücher angeboten, Ben?“
„Tücher, Seifen, Öle …“ Anzüglich senkte er seine Stimme. „Auch Massagen. Was immer dein Herz
Weitere Kostenlose Bücher