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Ballade der Leidenschaft

Ballade der Leidenschaft

Titel: Ballade der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Townend
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kleiner und aus Holz gebaut. Irenes Gäste saßen auf Stühlen rings um die Flammen oder auf Bänken an langen Tischen.
    Jetzt musterte Rozenn das Schlafgemach. Unterhalb der schrägen Zimmerdecke fiel durch schmale Fensterschlitze schwaches Licht herein. Zur Rechten stand eine leere Kohlenpfanne. Rose lächelte. Dank der sommerlichen Wärme würde sie in dieser Nacht sicher keine Kohlen brauchen. Und sie würde sich nicht den Gedanken gestatten, wie es wäre, eng umschlungen mit Ben in diesem Bett zu liegen.
    Statt zweier Wände waren nur dicke Wandteppiche aufgehängt worden. Sie dämpften kaum die Geräusche, die aus der Schankstube heraufdrangen oder in der angrenzenden öffentlichen Schlafkammer erklangen. Im Winter würden diese wuchtigen Behänge zwar schlimmste Kälte fernhalten, aber jetzt, im Juli, sorgten sie für schale, stickige Luft. Nun, wenn das Gemach gut genug für Herzog Hoël war, würde es auch für Rozenn, die Schneiderin, genügen. Es war sogar bequemer als alles, worin sie jemals geschlafen hatte. In Regalen zu beiden Seiten standen Kerzen bereit. Als sie einen Zipfel der bestickten Tagesdecke hob, entdeckte sie schneeweiße Laken, die nach Lavendel dufteten.
    Versuchsweise bewegte Rozenn die Beine – ja, sie gehorchten ihr wieder – und schnitt eine Grimasse. Mit ihren derben Stiefeln sollte sie nicht auf dieser schönen Tagesdecke liegen. Und so zwang sie sich, aufzustehen und die Decke zu inspizieren – einen leichten Wollstoff, mit Blumen und Früchten bestickt, die zu den Schnitzereien an den Bettpfosten passten. Unglaublich, dachte sie voller Ehrfurcht, nicht einmal Comte und Comtesse Remond besitzen ein kostbareres Bett. Als sie einen losen Faden entdeckte, steckte sie ihn geschickt an seinen Platz. Um nicht selbst ähnliche Schäden zu verursachen, faltete sie die Decke vorsichtig zusammen und legte sie beiseite. Dann setzte sie sich auf den Rand der Matratze und zog die Stiefel aus. Ihre Beine zitterten immer noch.
    Würde auch Ben in diesem Zimmer schlafen? Zusammen mit ihr? Und wenn ja – wo genau? Natürlich wollte sie ihn in ihrer Nähe wissen. Doch die Ungewissheit, die seine Absichten für diese Nacht anbelangte, bereitete ihr Sorgen. Er war unten im Schankraum geblieben und genoss es offensichtlich, mit Irene um die Übernachtungskosten zu feilschen.
    Beinahe wünschte Rozenn, sie wäre mit Ketill und seinem Sohn übers Meer gefahren … Nein, die Reise mit Ben erschien ihr viel angenehmer. Immerhin wusste er, wo man solche Gasthäuser fand, mit komfortablen Betten, eines Herzogs würdig. Und nach den köstlichen Düften zu schließen, die von unten heraufwehten, mussten die Speisen in der Taverne „Zur Brücke“ genauso erstklassig sein.
    Sie hatte Irene sofort gemocht. Wie lange kennt Ben sie schon? Seit vielen Jahren, so vertraulich, wie sie miteinander scherzten. Rozenn ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen, über das Bett hinweg. Wie oft hatte Ben hier geschlafen? Wie viele Frauen hatte er …
    Nein, so etwas durfte sie nicht denken! Aber ohne dass sie es verhindern konnte, glaubte sie, seine fröhliche Stimme zu hören. Ich habe einen Ruf zu verlieren … Ich muss darauf bestehen, den Ruf eines Verführers zu wahren und berüchtigt zu bleiben …
    „Nein!“ Verwirrt merkte sie, dass sie laut gesprochen hatte, und seufzte. Sie sollte der Realität ins Auge blicken. Wegen seines Berufs war Ben auf die Gunst seines Publikums angewiesen, vor allem des weiblichen, und so machte er allen Frauen schöne Augen. Während er mit Irene um den Preis für Kost und Logis verhandelte, schäkerte er mit ihr, weckte romantische Gefühle und bewog sie, ihm dieses Gemach zu überlassen, wenn er als Gegenleistung ihre Gäste amüsierte. Ben, der fahrende Sänger. Ben, der Lautenspieler und Unterhaltungskünstler. Ben, der es niemals ernst meinte. Mein liebster Freund …
    Warum konnte Rozenn den Gedanken nicht abschütteln, in seinem Innern müsste es ernsthafte Seiten geben, die er niemals enthüllte? Sie biss sich auf die Lippen. In letzter Zeit schien er etwas an sich zu haben, das nicht zu ihm passte. Irgendwie glich er – einem schlafenden Löwen. Machtvolle Stärke schlummerte in ihm. Aber er nutzte sie nie.
    Und wenn der Löwe eines Tages erwacht und feststellt, dass er hungrig ist? Was dann?
    Blicklos starrte sie die Binsenmatten auf dem Dielenboden an und grub mit ihren bestrumpften Zehen ein kleines Loch in das Flechtwerk. Ben unternahm nichts, um seinen Ruf zu

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