Ballade der Liebe
entgegenkamen. „Ja, die Straße ist gefährlich.“
Er achtete nicht auf ihren ironischen Ton und wechselte das Thema. „Genießen Sie Kutschfahrten im Park?“
„Ja, sehr“, antwortete sie begeistert.
„Der Marquess besitzt viele Kutschen“, erklärte er, um die Rede behutsam auf Tanner zu bringen. „Außer dieser Karriole einen Phaeton, einen Landauer, eine große Reisekarosse …“
„Interessant“, fiel sie ihm ohne rechte Begeisterung ins Wort.
Flynn warf ihr einen Seitenblick zu. Die meisten Frauen würden alles daran setzen, mit einem reichen Mann befreundet zu sein. „Er ist ein großzügiger Mensch, Rose. Ich kann Ihnen Beispiele nennen, wenn Sie wünschen.“
Beschwörend sah sie ihn an. „Bitte nicht.“
Er schwieg und konzentrierte sich wieder auf das Lenken der Pferde. Schließlich wagte er einen kühnen Vorstoß. „Was ist mit Ihnen, Rose? Jedes Mal, wenn ich auf den Marquess zu sprechen komme, fallen Sie mir ins Wort. Können Sie mir einen Grund dafür nennen?“
Auf ihren Wangen hatten sich zwei rosige Flecken gebildet. „Ich habe nichts gegen den Marquess, verstehen Sie mich nicht falsch.“
Flynn wartete auf eine nähere Erklärung. Auch die Pferde schienen darauf zu warten und gingen mittlerweile gemächlich im Schritt. Er ließ die Zügel schnalzen, und sie zogen wieder an. Zu ihrer Linken erstreckte sich die Serpentine, deren Wellen in der Nachmittagssonne glitzerten.
„Es ist so schön hier“, sagte Rose nach einer Weile.
Er holte tief Atem und straffte die Schultern. „Ich möchte von Lord Tannerton sprechen, wenn Sie gestatten.“
Ein wenig enttäuscht strich Rose strich sich eine vorwitzige Locke aus der Stirn. Sie hätte sich gewünscht, Mr. Flynn würde um sie werben. Welch törichter Gedanke. Er wollte lediglich mit ihr über den Marquess sprechen.
Wie sollte sie ihm erklären, dass sie nicht am Geld eines Marquess interessiert war? Vielmehr wünschte sie sich, was sich jedes junge Mädchen wünschte.
Liebe.
Entschlossen reckte Rose ihr zartes Kinn vor. „Vielleicht können wir später über den Marquess sprechen.“
„Aber ich sollte …“, begann Flynn, stockte jedoch und atmete tief aus, ehe er resigniert fortfuhr: „Worüber wollen Sie denn sprechen, Rose?“
Der Knoten in ihrer Magengegend begann, sich zu lösen. Er gewährte ihr einen kleinen Aufschub. „Ach, ich weiß nicht, über irgendetwas …“ Sie lächelte ihn an, fühlte sich plötzlich beschwingt und heiter. „Worüber man eben so redet.“
Über Dinge, die sie gerne über ihn wissen wollte.
Sie schluckte. „Leben Sie … schon … lange in England, Flynn?“
Es dauerte eine Weile, bevor er antwortete. „Seit ich achtzehn bin.“
„Und wie lange ist das her?“, hakte sie nach.
„Zehn Jahre.“
Nun wusste sie, wie alt er war. Achtundzwanzig. „Und was hat Sie nach England geführt?“
„Ich habe in Oxford studiert.“
„In Oxford? Dort studieren die Söhne vornehmer Familien, nicht wahr? Um Vikar oder Ähnliches zu werden?“
Er lachte. „Ja, und Ähnliches.“
„Ist Ihre Familie angesehen genug für Oxford?“
Er straffte die Schultern. „Ja.“
Rose spürte, dass sie ihn gekränkt hatte. „Verzeihen Sie, das war taktlos von mir.“ Sie blinzelte.
Seine Stirn glättete sich.„Mein Vater ist ein Gutsbesitzer, Rose. Er konnte es sich leisten, mich in Oxford studieren zu lassen.“
„Und nach dem Studium in Oxford?“
„Ging ich nach London, um mir eine Stellung zu suchen. Lord Tannerton nahm das Risiko auf sich, mich in seine Dienste zu nehmen.“
„Sie haben gewiss einen guten Eindruck auf ihn gemacht.“
Flynn lächelte dünn. „Ich glaube eher, er hatte Mitleid mit mir. Wie dem auch sei, ich habe viel bei ihm gelernt.“
Sie fühlte sich ermutigt, weitere Fragen zu stellen. „Haben Sie Irland wieder einmal besucht?“
Er schüttelte den Kopf.
Sie räusperte sich. „Ich bin erst seit ein paar Monaten hier in England.“
„Und warum sind Sie nach London gekommen, Miss O’Keefe?“ Seine Gegenfrage klang eher teilnahmslos, als interessiere er sich gar nicht für sie.
„Die Schule wollte mich als Musiklehrerin behalten. Die Schule in der Nähe von Killyleagh, wissen Sie. Aber mein größter Wunsch war es, zu singen.“ Sie machte eine Pause. „Wie meine Mutter.“
„Ihre Mutter?“
Sie nickte. „In ihrer Jugend sang meine Mutter in London. Sie ist schon lange tot.“
Sein Blick riss eine Wunde in ihr auf, die sie längst verheilt geglaubt
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