Ballade der Liebe
sie hinten im Saal zwei Herren entdeckte, konnte sie es kaum erwarten, Flynn zu sehen.
„Ich möchte mich verabschieden“, erklärte Signor Angrisani auf halbem Weg und küsste ihr die Hand.
„Noch einmal tausend Dank für Ihre Güte, Signor“, sagte Rose mit einem tiefen Knicks.
Der Sänger lächelte huldvoll. „Sie haben Talent, meine Liebe, erwähnte ich das nicht bereits?“
Das hatte er zwar noch nicht gesagt, aber sie war entzückt, das Kompliment zu hören, und hätte am liebsten einen Luftsprung gemacht.
Beschwingt eilte sie den beiden Herren entgegen. Beim Näherkommen gewahrte sie allerdings, dass der Herr neben Flynn nicht Mr. Ayrton, sondern Lord Tannerton war, und ihre Schritte verloren merklich an Elan.
„Lord Tannerton“, grüßte sie und machte einen anmutigen Knicks.
Er lächelte liebenswürdig. „Wie fanden Sie Ihre erste Gesangsstunde?“
Sie warf Flynn, der einen halben Schritt hinter seinem Dienstherrn stand, einen flüchtigen Blick zu. „Ich bin begeistert. Durch Ihre Großzügigkeit stehe ich tief in Ihrer Schuld.“
„Nicht der Rede wert.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wenn ich Ihnen damit eine Freude bereiten kann.“
„Eine große Freude, Mylord.“
Rose hatte keinen Zweifel daran, dass der Marquess sich die Summe, die ihre Gesangslehrer für ihre Dienste verlangten, mühelos leisten konnte. Aber sie vergaß auch nicht, dass sie dieses Privileg nicht zuletzt Flynn verdankte.
„Eine ebenso große Freude wie ich sie empfinde, wenn ich Ihrer Stimme lausche?“, fragte Tannerton in seiner liebenswürdigen Art.
Scheu senkte Rose den Blick und schwieg.
„Machen Sie mir die Freude, Sie nach Hause begleiten zu dürfen, Miss O’Keefe?“
Sie sah auf. „Aber ich möchte Ihnen keine Umstände bereiten. Ich kann mir eine Mietdroschke nehmen.“
„Es sind keine Umstände“, versicherte er. „Mein Wagen wartet vor dem Theater. Und ich brenne darauf zu hören, welchen Eindruck Sie von Ihren Lehrern haben.“
Liebend gerne hätte sie Flynn alles erzählt, aber plötzlich wollte ihr nichts mehr dazu einfallen.
Es gab kein Zurück. Sie durfte dem Marquess keine weitere Abfuhr erteilen, auch nicht, wenn er intime Gunstbeweise von ihr forderte. „Wie Sie wünschen, Mylord.“
„Wir sehen uns später in der Audley Street, Flynn“, verabschiedete Tanner seinen Sekretär in seiner liebenswürdigen Art.
Flynn nickte stumm, machte kehrt und verließ das Theater.
Nun war Rose mit dem Marquess allein.
„Wollen wir?“ Er bot ihr seinen Arm.
Auf dem Weg durch das Foyer sah Rose gerade noch, wie Flynn durch das hohe verglaste Portal verschwand. Als sie an Tannertons Arm auf die Straße trat, war er verschwunden.
„Mein Wagen, Miss O’Keefe.“ Im gleichen Moment fuhr die Karosse vor. Tanner half Rose beim Einsteigen und nannte dem Kutscher ihre Adresse.
Die Fahrt vom Theater in Haymarket nach Covent Garden würde nur wenige Minuten dauern.
„Und wie fanden Sie den Unterricht?“, fragte er, nachdem er sich neben sie gesetzt hatte.
„Ich fürchte, ich muss noch sehr viel lernen“, antwortete sie.
„Ich finde Sie sehr begabt, und Sie sind eine sehr aufmerksame Schülerin.“
Tanner stellte ihr noch weitere Fragen, was sie ihrer Ansicht nach noch lernen müsse und über die Sangeskunst ganz allgemein. Er verwickelte sie in eine unverfängliche Plauderei, um ihr die Befangenheit zu nehmen. Und Rose bewunderte seine Weltläufigkeit, seine Unbeschwertheit. Sie musste gestehen, dass sein Interesse an ihren Neigungen und Abneigungen aufrichtig zu sein schien, konnte sich aber nicht denken, dass er von brennendem Ehrgeiz erfüllt wäre, ein Ziel zu erreichen, so wie sie oder Flynn. Vermutlich konnte er sich nicht wirklich vorstellen, was es ihr bedeutete, auf einer großen Bühne singen zu dürfen, gewiss nicht mit dem Verständnis, das Flynn ihr entgegenbrachte.
Verstohlen beobachtete Rose ihn von der Seite. Er sah vielleicht besser aus als Flynn, dessen Gesichtszüge markanter, eine Spur kantiger waren. Aber Lord Tannerton ließ ihr Herz nicht schneller schlagen. Und wenn er sie ansah, hatte sie nicht das Gefühl, er könne die Tiefen ihrer Seele ergründen.
„Ich habe strikte Anweisungen von Flynn, Sie nicht bis in Ihre Wohnung zu begleiten“, erklärte Tanner, als sie Leicester Square überquerten. „Ich nehme an, er will eine Begegnung zwischen mir und Ihrem Vater vermeiden.“
Rose verkniff sich ein Lächeln. Sie glaubte eher, dass Flynn ihn vor
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