Ballade der Liebe
trotzdem erkannt, Rose“, flüsterte sie gehetzt. „Es war dieser Lord Greythorne.“
Rose gefror das Blut in den Adern. „Bist du sicher?“
Katy nickte heftig. „Ich vergesse niemals einen Kerl. Hüte dich davor, je mit ihm allein zu sein, Rose.“
Da sie Katy nicht noch mehr beunruhigen wollte, verschwieg sie ihr die Zusage, mit Greythorne demnächst zu soupieren, und sagte stattdessen: „Eine Schande, dass dieser Unhold frei herumläuft. Ich werde mit Flynn über ihn reden.“
Katy bedachte sie mit einem zweifelnden Blick. „Flynn? Was könnte er gegen ihn ausrichten?“ Sie schüttelte den Kopf. „Sprich mit niemandem über ihn, Rose. Das musst du mir versprechen.“
„Aber wieso denn nicht? Der Kerl muss unschädlich gemacht werden.“
„Nein“, schrie Katy und sprang auf die Füße. „Wer würde mir schon glauben, wenn ich einen Aristokraten beschuldige, abartig zu sein? Dadurch käme ich nur ins Gerede, und am Ende würden die Männer denken, ich hätte Spaß an perversen und abscheulichen Praktiken. Das würde ich nicht ertragen.“
„Aber …“
Katy flehte sie händeringend an. „Versprich es mir, Rose. Du musst es mir versprechen!“
Rose nahm sie in die Arme. „Einverstanden. Aber Madame Bisou hast du es wenigstens erzählt, nicht wahr?“
„Nein“, wehrte Katy ab. „Du hast doch gehört, was sie sagte. Sie weiß doch schon alles über ihn. Ich sage es nur dir, um dich zu warnen.“
„Wenn das wirklich dein Wunsch ist“, murmelte Rose, wechselte das Thema und überredete Katy, doch noch einen Happen zu essen. Die Freundinnen plauderten noch eine Weile über Miss Hart und die anderen Mädchen, mit denen sie oft gelacht und gescherzt hatten. Bald wurde Katy gelöster, beinahe wieder die alte, lebenslustige Katy. Nach einiger Zeit verabschiedete Rose sich und ließ ihren Tränen des Mitgefühls erst auf der Straße freien Lauf.
Mittlerweile waren die Straßen belebt mit Sonntagsspaziergängern, für Rose eine willkommene Ablenkung von ihren schwermütigen Grübeleien. An einigen Marktständen kaufte sie etwas zu essen ein. Die Arme voll beladen mit Tüten, öffnete sie schließlich die Wohnungstür.
„Da ist ja unser Schätzchen!“, säuselte Letty, als Rose die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ.
Lord Greythorne erhob sich von seinem Stuhl.
„Komm herein, Rose, meine Liebste“, flötete Letty weiter. „Wir haben Besuch.“
Greythorne durchquerte das Zimmer. „Darf ich Sie von Ihrer Last befreien?“ Er nahm ihr die Tüten ab.
„Aber Mylord, lassen Sie nur.“ Ihr Vater eilte diensteifrig herbei.
Letty musterte Rose finster. „Leg doch endlich Hut und Mantel ab und mach dich ein bisschen zurecht“, fauchte sie.
Rose flüchtete in ihre Kammer, zum ersten Mal dankbar, dass Letty sie wegschickte. Ihr Herz klopfte laut vor Angst und Zorn. Sie hatte nicht die geringste Lust, diesem Monster zu begegnen, das ihre Freundin gefesselt und ausgepeitscht hatte.
Sie ließ sich lange Zeit, Hut und Mantel abzulegen, die Handschuhe abzustreifen, das Haar zu frisieren und sittsam unter einem Häubchen zu verbergen. Irgendwann musste sie allerdings wieder im Wohnzimmer erscheinen.
Wieder erhob Greythorne sich höflich. Diesmal hielt er ein Glas Wein in der Hand.
Letty marschierte auf sie zu und riss ihr das Häubchen vom Kopf. „Setz dich zu unserem Gast“, zischte sie.
„Lord Greythorne bemüht sich persönlich zu uns, um eine neue Verabredung mit dir zu treffen“, sagte ihr Vater liebenswürdig.
„Ich richte mich ganz nach Ihnen, Miss Rose.“ Greythorne verneigte sich höflich. „Nennen Sie mir Tag, Ort und Zeitpunkt.“
Eine Ablehnung war unmöglich. Ihr Vater hatte für dieses Treffen bereits Geld kassiert. Rose hob das Kinn und blickte dem Earl kühl entgegen. „Ich speise mit Ihnen am Dienstagabend in Vauxhall, bestehe aber auf einer offenen Loge unter den Arkaden.“
Sein Lächeln wurde starr. „Wie Sie wünschen. Dienstag in Vauxhall.“
Sie erwiderte sein Lächeln ebenso steif. „Vorausgesetzt, es regnet nicht. Andernfalls sagen Sie die Verabredung ab, wie ich vermute.“
Ein gefährlicher Funke glomm in seinen Augen. „Selbstverständlich. Wir wollen uns doch die Kleider nicht durch den Regen verderben lassen.“
Rose dachte an Flynn, wie er ohne Hut im strömenden Regen stand, bis auf die Haut durchnässt, ohne sich darum zu scheren.
„Bitte setzen Sie sich, Mylord“, lud Letty ihn mit übertriebener Höflichkeit ein. Im gleichen Atemzug
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