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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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ausweichen, das sich ungebändigt ausgebreitet hatte. Doch dann entdeckte er plötzlich am Rande abgeknickte Zweige und niedergedrückte Büsche. Es hatte den Anschein, als sei irgendetwas Schweres und Großes hier entlanggeschleift worden. Kopfschüttelnd blieb Ralph stehen und ging dann vorsichtig weiter, denn er wusste, dass das Gehölz Verstecke genug bot, um einem Mann wochenlang Unterschlupf zu bieten, ohne dass dieser Gefahr lief, entdeckt zu werden.
    Nach einer Weile erreichte er eine kleine Lichtung, in deren Mitte eine halb verfallene Hütte stand, die ihm und Freddie oft als Platz für ihre fantasievollen Kinderspiele gedient hatte. Die Fensterscheiben waren zerbrochen. Dichter Efeu überwucherte die hölzernen Wände und drang bereits bis ins Innere der Kate vor. Das Ganze wirkte, als wolle es jeden Augenblick in sich zusammenfallen und wieder eins mit der Natur werden.
    Doch als Ralph nun näher trat, merkte er, dass dieser Eindruck bewusst trügen sollte. Das Dach war sorgfältig repariert und die feste Tür mit einem haltbaren Schloss versehen worden. Irgendjemand schien hier auf seinem Grund und Boden zu wohnen oder die Hütte zu einem geheimen Zweck zu benutzen. Aus dem Kamin drang jedoch kein Rauch. War der Bewohner wieder verschwunden? Ralph klopfte an die Tür, erhielt indes keine Antwort und ging nun um das Haus herum. Auf der Rückseite führte ein Pfad in das Sumpfgebiet, und an seinem Ende lag ein altes Bootshaus. Hier fanden sich Wagenspuren und Abdrücke von Pferdehufen im Schlamm.
    Nachdenklich kehrte Ralph zu der Hütte zurück und spähte durch eines der Fenster. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erblickte er in einer Ecke einen Haufen gefüllter Säcke und ein Fass. Auf einem roh zusammengezimmerten Tisch stand eine Waage. Daneben lagen eine leere Flasche und die Öljacke eines Seemannes. Schmuggler! Die Hütte war das Versteck von Schmugglern!
    Ralph lächelte belustigt. Schließlich tolerierte jedermann in dieser Gegend den sogenannten “freien Handel”, aus dem nahezu die Hälfte von all dem Tabak, Wein, Tee, Kaffee und Branntwein stammte, der hier konsumiert wurde. Doch dann fiel ihm eine Mitteilung von Robert Dent ein, wonach seit Beendigung des Krieges der Schmuggel in erschreckender Weise wieder zugenommen hatte.
    “Es werden neuerdings des Nachts Patrouillen von der Steuerbehörde ausgesandt”, hatte Robert berichtet. “Denn wir wollen es nicht wieder so weit kommen lassen, dass skrupellose Banden, die selbst vor einem Mord nicht zurückschrecken, in aller Öffentlichkeit ihr Unwesen treiben.”
    Nun, so würde er denn wachsam sein und herausfinden, wer diese Leute waren. Und dann würde er sie entweder davonjagen oder dem Gericht übergeben – je nachdem, um wen es sich dabei handelte.
    Sorgfältig verwischte Ralph seine Fußspuren und kehrte nun auf dem schnellsten Wege nach Hause zurück. Dort angekommen, fand er Mrs Fostyn wartend vor.
    “Euer gehorsamster Diener, Madam”, sagte er und machte eine höfliche Verbeugung. “Verzeiht, dass Ihr warten musstet, aber ich erwartete ja keinen Besuch.” Da er für Freddies Mutter immer eine gewisse Sympathie empfunden hatte, brachte er es auch jetzt nicht übers Herz, sie unfreundlich abzufertigen. Die Ereignisse der Vergangenheit waren zweifellos nicht ihre Schuld, und sie hatte wohl an dem Verlust ihres Gatten schwer genug zu tragen.
    “Oh, bitte, das hat mir nichts ausgemacht, Mylord. Ich … ich hatte so viel auf dem Herzen.”
    “Nun, so sprecht denn.”
    “Es geht um den Brief, den ich von Euerm Anwalt erhalten habe. Ihr kennt sicher den Inhalt.”
    Ralph nickte kurz.
    “Es ist Euer gutes Recht, uns den Wohnanspruch aufzukündigen, und ich will darüber auch nicht streiten”, entgegnete Mrs Fostyn in einem so demütigen Ton, dass es Ralph schmerzte, zuhören zu müssen. “Aber ein Monat ist sehr wenig Zeit, um uns eine neue Unterkunft zu suchen. Könntet Ihr es wohl übers Herz bringen, die Frist etwas zu verlängern? Ihr müsst wissen, ich habe noch zwei Töchter und einen zwölfjährigen Sohn im Hause und muss erst eine andere Möglichkeit finden, für ihren Unterhalt zu sorgen.”
    “Warum müsst Ihr dafür sorgen und nicht Freddie? Es wäre doch wohl seine Pflicht und Schuldigkeit.”
    “Freddie?” Erstaunt hob Mrs Fostyn den Kopf. “Freddie hat das Land am selben Tage verlassen wie Ihr, und wir haben seitdem nichts mehr von ihm gehört. Wusstet Ihr das nicht?”
    Nun war die

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