Ballnacht in Colston Hall
Peregrine um ihre Hand anhalten durfte. Da sie beide noch sehr jung waren, sollte es allerdings noch nicht zu einer formellen Verlobung kommen. In anstandsgemäßer Begleitung durften die jungen Leute in Zukunft aber bereits hin und wieder gemeinsam bei gesellschaftlichen Ereignissen auftreten.
Lydia musterte die überselige Schwester nicht ohne Bitterkeit. Annabelle bekam ihren Angebeteten, während sie selbst dazu verurteilt war, mit achtzehn Jahren einen alten Mann zu heiraten, der von ihr den erwünschten Sohn haben wollte. Sie schauderte bei diesem Gedanken. Nein, sie konnte Sir Arthur nicht zum Mann nehmen – niemals! Sie konnte nicht! Doch ein Blick auf ihre Mutter sagte ihr, dass sie es können musste. Es gab keinen Ausweg.
Sir Arthur war aufmerksam bemüht, sie mit Schinken, gebratenem Kapaun, Salat und Obsttorte zu versorgen, lamentierte indes wie üblich unaufhörlich dabei. “Heute Abend ist aber auch nichts nach Plan gelaufen, meine Liebe. Bei einer solchen Gelegenheit kann man eben den Ablauf der Dinge nicht voraussehen. Die Ankunft des Earl of Blackwater kam aus meiner Sicht zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Sie hat mir alles durcheinandergebracht.”
“Ich bin sicher, Ihr werdet es wieder in den Griff bekommen”, erwiderte Lydia gleichgültig.
“Während Ihr mit dem Earl getanzt habt, hatte ich ein weiteres Gespräch mit Eurer verehrten Frau Mama”, fuhr Sir Arthur fort. “Ihr seid noch sehr jung, und ich war vielleicht ein wenig zu ungeduldig.”
Freudig überrascht sah Lydia ihn an. Wollte er etwa einen Rückzieher machen? “Oh, falls Mama das gesagt hat, so war das bestimmt nicht als Kritik gemeint”, erklärte sie eifrig.
“Nein, nein, Mrs Fostyn hat keine Missbilligung zum Ausdruck gebracht”, beruhigte Sir Arthur. “Im Gegenteil. Sie meint, Ihr seid ein wenig überwältigt von der Ehre, die ich Euch zuteilwerden lasse, und Ihr braucht etwas Zeit, um Euch an den Gedanken zu gewöhnen, Lady Thomas-Smith zu werden.”
Zutiefst enttäuscht wandte Lydia sich ab. Am liebsten hätte sie Sir Arthur gesagt, dass es beileibe keine Ehre sei, ihn zu heiraten, sondern eine sehr harte Notwendigkeit. “Ihr seid zu liebenswürdig”, murmelte sie kaum hörbar.
Sir Arthur tätschelte ihre Hand. “Unter diesem Aspekt will ich Euch heute Abend nicht drängen. Es ist vielleicht wirklich keine angemessene Gelegenheit. Wir feiern schließlich das Ende des Krieges.” Er wies auf eine Schar junger Leute, die sich an Lustigkeit nicht genugtun konnten. “Außerdem ist es zu voll und zu laut hier, und man kann nirgendwo unter sich sein.”
Ein Gefühl grenzenloser Erleichterung ergriff Lydia. Vergeblich suchte sie nach einer passenden Antwort und stammelte schließlich nur: “Danke, Sir.”
Die Grimasse, die Sir Arthur schnitt, machte Lydia unsicher. Hatte ihr künftiger Bräutigam vielleicht etwas über die Geschehnisse erfahren, die nun zehn Jahre zurücklagen? Oder war ihm gar der Klatsch über den verstorbenen Earl of Blackwater und Mrs Fostyn zugetragen worden?
“Nun schaut doch nicht so melancholisch drein, meine Liebe”, fuhr Sir Arthur fort. “Wir haben die Sache vielleicht falsch angefangen. Aber das lässt sich ändern. Junge Damen lieben nun einmal Schwüre von unsterblicher Liebe – ich verstehe das durchaus …”
“Hat das meine Mutter behauptet?” Lydia kämpfte mit einem Lachanfall und hielt sich rasch den Fächer vor das Gesicht.
“Glaubt Ihr, ich könne nicht selbst nachdenken?”, fragte Sir Arthur beleidigt.
“Aber keineswegs, Sir Arthur. Ihr seid ein sehr intelligenter Mann.” Nach diesen Worten fing Lydia einen belustigten Blick des Earl of Blackwater vom anderen Ende des Tisches auf. Hatte er etwa ihre Bemerkung vernommen?
“Nun, wir werden eine andere passende Gelegenheit finden”, fuhr Sir Arthur fort. “Ich werde ein Abendessen mit musikalischer Unterhaltung in meinem Hause für einige ausgewählte Personen aus Colston und Malden geben, die mich als einen Fremden so liebenswürdig hier aufgenommen haben. Das ist eine bessere Gelegenheit zur Bekanntgabe unserer Verlobung.”
“Aber Sir Arthur”, erwiderte Lydia mit einem leichten Lachen, “Ihr habt doch noch gar nicht um meine Hand angehalten.”
“Das liegt daran, dass man mir bisher noch keine Gelegenheit dazu gegeben hat”, erwiderte Sir Arthur feierlich. “Aber es wird bei passender Gelegenheit noch vor jenem Dinner erfolgen.”
“Nun, dann sehe ich diesem Augenblick mit Erwartung
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