Ballnacht in Colston Hall
entgegen”, erklärte Lydia in einem Anflug von verzweifeltem Humor. “Ihr werdet hiernach meine Antwort erhalten.”
Nach der Pause wurde sie von Sir Arthur in den Ballsaal zurückgeführt und zum nächsten Tanz gebeten. Anschließend überließ er sie anderen Tänzern. Da nun keine Ankündigung ihrer Verlobung mehr bevorstand, fühlte sich Lydia plötzlich heiter und sorglos, und sie tanzte mit einigen jungen Männern, darunter auch mit dem Comte de Carlemont, den Annabelle ihr als Ersatz für Sir Arthur angeboten hatte.
Er sah sehr hübsch aus in seinem gelben Rock mit den Spitzenmanschetten und war auch sehr charmant, doch sie spürte eine gewisse Falschheit an ihm und fragte ihn deshalb geradeheraus, was ihn denn in Malden, dem verschlafenen kleinen Nest, eigentlich hielt. Sie habe erwartet, dass er zurück an den französischen Hof gehe, um das Ende des Krieges zu feiern.
“Der Hof in Paris langweilen misch”, antwortete er ein wenig affektiert. “So viel Zeremonie, so viel Intrige …”
“Intrigen? Wirklich?”
“
Naturellement
. Immer Hinterhältigkeiten. Ist gefährlischer als Krieg.”
“In England doch aber nicht?”
“Frankreisch, England – ist kein Unterschied.”
“Kennt Ihr König Georg?”
“
Oui
.”
“Und zieht England trotzdem Euerm Heimatland vor?”
“Isch habe – so sagt man – gewisse Verbindungen. Englisch Cousins, die gaben mir Gastfreundschaft, wenn isch war gezwungen, hier zu bleiben wegen Krieg.”
“Irgendwann kehrt Ihr aber zurück, nicht wahr?”
“Wahrscheinlisch schon bald. Muss sehen nach meinen Besitztümern.”
“Ja? Wo liegen sie denn? Sind sie sehr groß?”
“In Süden, wo ist warm und exzellente Trauben wachsen für Wein. Aber Ihr werdet sehen selbst noch dies Jahr. Sir Arthur hat versprochen, auf Hochzeitsreise kommen mit junge Frau zu mir.”
“Wirklich?”, rief Lydia überrascht. “Ich wusste gar nicht, dass Ihr ihn so gut kennt.”
“Oh, Bekanntschaft ist schon länger. Geschäfte, Ihr versteht.”
Noch während des nächsten Tanzes mit einem anderen Partner dachte Lydia über die Worte des Comte de Carlemont nach, denn sie hatten sie verwirrt und zugleich neugierig gemacht. Sie wusste ja so wenig über Sir Arthur. Hatte er vielleicht Geheimnisse, die er lieber im Verborgenen hielt?
Als sie sich nachdenklich im Saal umsah, bemerkte sie Ralph Latimer, der sie mit seinen Blicken zu durchbohren schien. Sofort wandte sie sich wieder zu ihrem Tanzpartner, flüsterte ihm etwas zu und lachte dann betont fröhlich. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sie, wie sich Ralph ärgerlich entfernen wollte, von dem Zeremonienmeister jedoch aufgehalten wurde, der nun mit seinem Stab auf den Boden klopfte.
“Mylords, Ladys und Gentlemen”, begann er, als die Gespräche abgeebbt waren. “Es ist in der Tat ein freudiger Augenblick. Wir feiern nicht nur das Ende des Krieges, der uns so viele junge Männer, zu Lande und zur See, genommen hat, sondern wir bringen auch unsere Dankbarkeit zum Ausdruck für die glückliche Heimkehr des Herrn von Colston, den Earl of Blackwater.”
Während die Gäste noch begeistert applaudierten, fragte sich Ralph besorgt, was der Mann wohl als Nächstes von sich geben würde.
“Zugleich aber müssen wir ihm unser tief empfundenes Beileid ausdrücken. Der verstorbene Earl wurde von allen geliebt und geachtet, die den Vorzug genossen, ihn näher zu kennen. Umso beglückter sind wir, dass nun sein Sohn zurückgekommen ist und uns zu unserem heutigen Fest mit seiner Gegenwart beehrt. Es lebe der Earl of Blackwater!” Der Zeremonienmeister erhob sein Glas, und die Anwesenden schlossen sich seinem Toast mit Feuereifer an.
Ralph Latimer hatte ursprünglich nur die Absicht gehabt, der Feier einen kurzen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Doch als er in Lydias Gesicht blickte, entschloss er sich impulsiv, eine kurze Antwortrede zu halten. Er stieg auf das Podium, sah in das Meer lächelnder Gesichter und wandte sich mit seiner wohlklingenden dunklen Stimme an die Lauschenden.
“Mylords, Ladys und Gentlemen. Ich bedanke mich für die Anhänglichkeit gegenüber meinen verstorbenen Eltern und die Freundlichkeiten, die mir erwiesen werden, obwohl ich vielen inzwischen ein Fremder geworden bin. Ich bin glücklich, wieder daheim zu sein, und bereit, das Amt meines Vaters zu übernehmen. Die mir dabei obliegenden Aufgaben werde ich nach besten Kräften erfüllen, und ich hoffe, dass jeder, dessen Probleme zu lösen ich in der
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