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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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begann es auszuwickeln. Es enthielt Schriftstücke, die jedoch so durchgeweicht waren, dass nur noch hin und wieder ein Wort erkennbar war – weiterhin eine Landkarte und einen Beutel aus Samt, in dem einige Steine glitzerten, die möglicherweise Rohdiamanten waren. Die Landkarte war zwar an den Rändern ebenfalls vom Seewasser angegriffen, doch da sie auf Leinwand aufgezogen war, hatte der größte Teil keinen ernsthaften Schaden erlitten. Es war ganz offensichtlich ein Plan des Sumpfgebietes zwischen Malden Water im Norden und Crooksea Water im Süden. Der Zeichner hatte einige Ortschaften, markante Bauwerke und sonstige Wegmarken deutlich hervorgehoben, so zum Beispiel Mersea Island mit dem Fort zum Schutz der Küste, weiterhin Malden, Southminster und Burnham an der Mündung des Flusses Crouch. Das Dorf Colston mit seiner alten Kirche und der Landsitz Colston Hall mit seinem ausgedehnten Wald, ja, selbst der Witwensitz waren deutlich erkennbar und im Wald die alte Hütte. Auch Miss Greys Häuschen hatte der Zeichner nicht vergessen. Die breite Southminster Road zog sich quer über die Karte, und die Abzweigung nach Chelmsford war mit einem Kreuz markiert.
    Lydias erster Gedanke war, es müsse sich um einen Plan für Schmuggler handeln. Doch wozu brauchten sie eine Landkarte, wenn sie aus dieser Gegend stammten? Und vielleicht waren in dem Beutel gar keine Diamanten. Was um alles in der Welt sollte sie mit ihnen anfangen? Wem mochten sie gehören? Lydia fühlte sich auf einmal sehr unbehaglich in ihrer Haut und wünschte, sie hätte das Päckchen am Strand liegen gelassen.
    “Lydia, bist du in deinem Zimmer?” erklang die Stimme der Mutter von der Treppe her. Hastig wickelte Lydia alles wieder zusammen und verbarg das Kästchen in ihrer Kleidertruhe. “Ja, Mama, ich habe nur meinen Mantel ausgezogen.” So unbefangen wie möglich trat sie auf den Korridor hinaus. “Ich komme schon!”
    Aber es war nicht leicht für sie, eine ungezwungene Haltung an den Tag zu legen. Zum einen ängstigte sie das seltsame Päckchen, und zum anderen beunruhigte sie die Tatsache, dass sich an den erregenden Gefühlen in Gegenwart des Earl of Blackwater nichts, aber auch gar nichts geändert hatte. Und dabei war morgen ihr Verlobungstag! Sie musste sich nun schnellstens darauf vorbereiten und nicht nur äußerlich. Das aber war das Schwerste.
    Sir Arthur hatte Lydia eine ansehnliche Summe zukommen lassen und verlangt, dass sie damit ein passendes Gewand einschließlich allem erforderlichen Zubehör für das bevorstehende Ereignis beschaffe. Sie hätte die Gabe gerne zurückgewiesen, doch die Mutter hatte ihr erklärt, dass eine solche Ablehnung sehr töricht wäre. “Er wird von nun an für dich sorgen”, hatte sie gesagt. “Und du solltest nicht zögern, aus seiner Großzügigkeit deinen Vorteil zu ziehen. Sieh es als dein gutes Recht an.” In diesem Licht betrachtet, konnte Lydia nicht umhin, der Mutter zuzustimmen. Wenn sie schon Sir Arthur heiraten musste, dann sollte er auch dafür bezahlen, selbst wenn es vielleicht ein wenig gegen das Anstandsgefühl verstieß.
    Das Kleid, das sie sich in Chelmsford von der besten Schneiderin hatte anfertigen lassen, war aus weißer gerippter Seide, über und über mit silbernen Blumen und Weinblättern bestickt. Das Mieder war eng und steif und schob ihre Brüste so hoch empor, dass ihre Rundungen über dem tiefen viereckigen Ausschnitt zu sehen waren. Die engen Ärmel reichten bis zum Ellenbogen und wurden von einem dichten Spitzenvolant gesäumt. Unter dem schweren, weiten Rock mussten mehrere Unterröcke getragen werden, einer davon war mit einer Polsterung verstärkt. Weiße Strümpfe, weiße, silberbestickte Seidenpumps, eine weiße Perücke mit drei weiß gefärbten Pfauenfedern und weiße lange Handschuhe vervollständigten ihren außerordentlich eleganten Aufzug. Als Lydia so gekleidet das Wohnzimmer betrat, schossen der Mutter Tränen des Stolzes in die Augen, während Annabelle ihren Neid nur schwer verbergen konnte.
    “Aber keinen Schmuck”, ordnete die Mutter an. “Sir Arthur wird dir zweifellos irgendein besonderes Kleinod als Verlobungsgeschenk überreichen.”
    Als die Stunde der Einladung herankam, schickte Lydias künftiger Bräutigam seine noble Kutsche, um die Damen abzuholen, sodass sie nicht mit ihrem alten schäbigen Wagen vorfahren mussten. Während der ganzen Fahrt von etwa zwei Meilen bis zu Sir Arthurs Haus zitterte Lydia vor Aufregung und

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