Ballnacht in Colston Hall
Dent.” Lydia warf einen raschen Seitenblick auf die Mutter, die etwas verwirrt über den merkwürdigen Unterton dieser nichtssagenden Unterhaltung war. “Und ich versichere Euch, dass ich noch weit mehr auf mich zu nehmen in der Lage bin als bisher.”
“Oh, daran zweifle ich keineswegs. Aber ich möchte Euch dennoch vor Überanstrengung warnen. Sie könnte vielfältige Übel hervorrufen. Die Nachtluft ist ganz besonders gefährlich.”
“Wovon ist hier eigentlich die Rede?” mischte sich nun die Mutter ein. “Lydia war nachts nicht an der Luft, sofern Ihr nicht das Feuerwerk im Park meint …”
“Genau das meine ich, Madam.”
“Also, ich weiß nicht, was das soll. Ich bin durchaus in der Lage, selbst auf die Gesundheit meiner Tochter bis zu ihrer Hochzeit zu achten, Mr Dent. Und danach wird ihr Ehemann Sorge dafür tragen.”
“Ich bitte vielmals um Verzeihung, Madam. Aber ich hatte gestern Abend den Eindruck, als fühle sich Miss Fostyn nicht recht wohl, und hielt es deshalb für eine Forderung der Höflichkeit, mich nach ihrem Befinden zu erkundigen.”
“Ich war überhaupt nicht unpässlich, Sir”, sagte Lydia anstelle ihrer Mutter. “Aber ich werde mir Euern Hinweis in Bezug auf die Nachtluft zu Herzen nehmen.”
Nach diesen Worten verabschiedete sich der Besucher eilends, und Lydia fragte sich, ob er ihre Bemerkung als eine Versicherung angesehen haben mochte, dass sie sich in Zukunft nicht mehr um die Schmuggler kümmern werde. Genau das war nämlich ihre Absicht gewesen, obwohl sie nicht im Entferntesten daran dachte, die Finger davon zu lassen.
“Ich habe den Eindruck, als sei der gute Dent nicht ganz richtig im Kopfe”, stellte die Mutter achselzuckend fest, als der Gast gegangen war. “Was hat er denn eigentlich mit seinem Gerede von Nachtluft sagen wollen?”
“Ich habe keine Ahnung, Mama. Vielleicht hatte er zu viel Rotwein getrunken.” Lydia nahm die Flasche und hob sie in die Höhe. “Sieh nur, sie ist nur noch halb voll.”
Die Mutter lächelte. “Ich habe ihm gesagt, dass du noch schläfst, aber er war offensichtlich fest entschlossen zu bleiben. Er weiß doch schließlich, dass du mit Sir Arthur verlobt bist. Ob irgendwelche neuen Gerüchte im Umlauf sind? Hast du gestern etwa wieder zu viel Champagner getrunken?”
“Aber Mama, ich bitte dich!”
“Nun, du hast die Tafel ziemlich plötzlich verlassen. Was Sir Arthur davon gedacht hat, weiß ich nicht. Er machte sich dann auf, um dich zu suchen, doch glücklicherweise habe ich dich zuerst gefunden.”
“Aber ich habe doch nichts Unrechtes getan.”
“Nein, natürlich nicht. Die Leute indes fassen es anders auf. Du weißt, dass Sir Arthur bereits hier gewesen ist. Ich sagte ihm, dass du noch im Bett liegst, und begründete es mit der Aufregung über den Ball und die kurz bevorstehende Hochzeit.”
“Und? Hat er das hingenommen?”
“Es hatte den Anschein. Aber nichtsdestoweniger, Lydia, wenn du weiterhin Dinge tust, die ihn in Verlegenheit bringen, wird er vielleicht zu der Überzeugung kommen, dass es ein Fehler war, um deine Hand anzuhalten.”
Am liebsten hätte Lydia erwidert, dass ihr nichts lieber wäre. Doch sie wusste, dass eine solche Antwort die Mutter betrüben würde, und so sagte sie rasch: “Es tut mir leid, Mama. Ich verspreche dir, dass es nicht wieder vorkommen wird.”
“Schon gut, mein Kind.” Die Mutter tätschelte ihre Hand und setzte dann die Glocke in Bewegung, die neben ihr auf dem Tisch lag, um Janet zu befehlen, das Mittagessen aufzutragen. Unmittelbar darauf stand das Mädchen schon auf der Schwelle, jedoch nicht auf das Glockenzeichen hin, sondern um zu melden, dass der Earl of Blackwater in der Diele wartete.
“Um Himmels willen, du kannst ihn doch nicht draußen stehen lassen!”, rief die Mutter erschrocken. “Führe ihn sofort herein.”
Noch ehe Lydia ihren Verstand zusammennehmen konnte, betrat Ralph Latimer den Raum. Er trug einen sattgrünen Reitrock, dazu Nankinghosen und hohe, glänzend polierte Stiefel. Auf eine Perücke hatte er verzichtet und um das eigene Haar im Nacken nur ein schwarzes Band geschlungen. “Mrs Fostyn, Miss Fostyn, Euer Diener.” Jede der Angeredeten bedachte er mit einer kurzen Verbeugung.
Mrs Fostyn erhob sich und knickste. “Ihr seid herzlich willkommen, Euer Lordschaft.”
Nein, das seid Ihr nicht, dachte Lydia ärgerlich, während sie dem Beispiel der Mutter folgte.
“Was führt Euch zu uns, Mylord?” erkundigte sich die
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