Balthazar: Roman (German Edition)
lange noch nicht gut genug, um sie denken zu lassen, sie sei an diesem Abend von ihrem Date sitzen gelassen worden.
Vielleicht sollte sie einfach schnell verschwinden und versuchen, bei irgendjemandem mitfahren zu können, der sich gerade auf den Heimweg machte. Es gab genügend Pärchen, die kurz vor dem Aufbruch standen.
Jemand klopfte ihr auf die Schulter, und als Skye sich umdrehte, sah sie Redgrave. »Wollen wir tanzen?«
Sie sog scharf die Luft ein und wich zurück; Redgrave machte keinerlei Anstalten, ihr sofort zu folgen. Er sah so lässig und elegant wie immer aus. Sein dunkelblondes Haar war zurückgekämmt, der Braunton seines Anzugs passte zu seinem Teint. Er war genau richtig für den Anlass gekleidet und trug eine sorgfältig gebundene, cremefarbene Seidenkrawatte. Seine haselnussbraunen Augen hingegen schienen weniger einem Menschen als vielmehr einem Wolf zu gehören.
»Ich schreie!«, stieß Skye gepresst hervor. »Dann wird schon irgendjemand kommen.«
»Aber ja doch. Einer von deinen lieben Schulkumpels, schätze ich mal. Nun, für mich spielt das keine Rolle, denn wer auch immer als Erster durch diese Tür gerannt kommt, wird der Erste sein, den ich töte. Willst du wirklich Blut an deinen Händen haben?«
»Balthazar wirst du nicht so einfach töten können. Er ist auch dort.« Obwohl sie sich inzwischen besser selbst verteidigen konnte als früher, war ihr klar, dass sie alleine gegen Redgrave nicht die Spur einer Chance hätte.
»Das weiß ich. Aber wir wollen ihn doch hier nicht mit hineinziehen, nicht wahr? Oder das Risiko eingehen, dass er es vielleicht doch nicht als Erster durch die Tür schafft.« Redgrave lächelte sie freundlich an und machte eine knappe, höfliche Verbeugung.
»Ich bitte dich nur um einen Tanz, meine Liebe. Und natürlich um diese eine Unterhaltung, die du mir noch schuldest. Du scheinst mir nicht der Typ dafür zu sein, ein Versprechen zu brechen.«
Skye hatte dieses Versprechen gegeben, um Balthazars Leben zu retten, aber sie hatte erwartet, dass Redgrave sie wieder im Café Keats oder auf anderem neutralen Boden ansprechen würde. Nicht hier, auf dem spärlich beleuchteten Schulflur, wo sie ganz allein war.
Balthazar ist auf der anderen Seite der Tür , rief sie sich ins Gedächtnis. Bleib einfach hier, und wenn irgendetwas geschieht, dann kannst du schreien oder versuchen wegzulaufen. Das ist nicht der schlechteste Ort, um die Sache hinter dich zu bringen.
»In Ordnung. Wenn du reden willst, dann rede.«
»Ich will auch tanzen.«
»Ich habe dir keinen Tanz versprochen.«
Redgrave lachte leise. »Aber du willst doch auch tanzen, oder?«
Ein seltsames Gefühl ergriff von Skye Besitz. Es war kein echtes Empfinden, sondern eine Art merkwürdiges Echo von Liebe und Verlangen. Skye konnte das Gewicht dieser Mischung beinahe körperlich spüren; es war leicht wie ein Schleier, aber unentrinnbar. Gegen ihren Willen hob sie die Arme wie zum Tanzen, und Redgrave schob sich geschmeidig in ihre unfreiwillige Umarmung.
»Was machst du mit mir?«, stieß Skye zwischen den Zähnen hervor.
»Nur äußerst wenige Vampire können das. Es dauert ungefähr tausend Jahre, bis man diese Fähigkeit beherrscht, aber wenn es erst mal so weit ist … Aaaah, dann wird alles so viel einfacher. Gewöhnlich dauert der Effekt nicht lange an, also mach dir keine Sorgen. Bald genug wirst du wieder von mir angewidert sein.« Redgrave begann, Skye im Kreis zu drehen. »Die Evolution spielt bei allen Kreaturen eine wichtige Rolle, wie du wissen solltest. Nicht nur bei denen, die noch am Leben sind. Und nichts verkörpert das Konzept vom ›Überleben des Stärksten‹ so deutlich wie die Fähigkeit, ein Opfer lange genug zum Stillhalten zu bringen, sodass man es beißen kann.«
Er wird mich beißen! Skye wollte sich losreißen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. Sie tanzte einfach weiter – eine Marionette, die Redgraves Willen ausgeliefert war. »Du bekommst dein Gespräch. Also nutze die Gelegenheit.«
Er fuhr ihr mit seinen kühlen Fingern die Wirbelsäule hinab und schob seine Hand ein winziges Stück unter den Stoff an Skyes Rückenausschnitt. »Du solltest dich meinem Clan anschließen. Wenn nicht, dann wirst du es bereuen. Ich meine das ganz ernst. Du hast bewiesen, dass du ein einfallsreiches, mutiges Mädchen bist – und ein ziemlich hübsches dazu, wenn ich das sagen darf.« Redgrave hauchte ihr einen Kuss auf die Schulter, und Skye hätte ihn am liebsten mit aller
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