Balthazar: Roman (German Edition)
hatte, vor denen sie plötzlich stehen könnten. Wenn sich Skyes Eltern diesen unpassenden Augenblick aussuchten, um wieder im Leben ihrer Tochter aufzutauchen, dann würde es noch schwerer sein, in ihrer Nähe zu bleiben. Wenn ihn von nun an Leute dabei beobachten würden, wie er Skyes Nähe suchte, oder falls er seinen Job hier an der Schule los wäre, noch ehe er sich um eine Ersatzlösung bemüht hätte, dann würde es sich ausgesprochen problematisch gestalten, Skye noch zu beschützen. Und das, wo die Lage gerade so viel gefährlicher geworden war.
»Jetzt sind wir unter uns, Mr More«, begann Zaslow. »Lassen Sie uns gleich zum Punkt kommen. Unterhalten Sie eine sexuelle Beziehung zu Skye Tierney?«
»Selbstverständlich nicht«, log Balthazar. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als zu lügen. Ich bin gar kein Vertretungslehrer, ich bin ein Vampir , war keine gute Verteidigungsstrategie.
»Eine Schülerin hat gemeldet, dass Sie gesehen wurden, wie Sie in den frühen Morgenstunden gemeinsam mit Miss Tierney Ihr Haus verlassen haben.«
Madison , dachte er und erinnerte sich an die Bewegung am Fenster.
»Diese Schülerin irrt sich. Ich gebe zu … ich hatte dieses Wochenende Besuch. Weiblichen Besuch, meine ich. Und ich scheine mich nicht so diskret verhalten zu haben, wie ich es hätte tun sollen.« Balthazar versuchte, sich wie ein Trottel darzustellen, um zu überspielen, dass er sich in die Ecke gedrängt fühlte. »Jetzt, wo ich darüber nachdenke: Sie hat ungefähr die gleiche Größe und Haarfarbe wie Miss Tierney. Ich kann mir vorstellen, dass man die beiden miteinander verwechseln könnte, wenn man uns nur von Weitem gesehen hat.«
Zaslow schien nicht überzeugt, aber sie wischte seine Erklärungsversuche auch nicht sofort beiseite. »Miss Tierney sagt, dass sie beide auch außerhalb der Schule einige Zeit zusammen verbracht haben.«
Skye hatte unglücklicherweise nicht ganz so viel Erfahrung wie er mit unangenehmen Situationen und derartigen Verhören – sie hatte sich ins Bockshorn jagen lassen –, aber ihm war klar, was sie Zaslow erzählt haben musste. Es war ihm so sonnenklar, als ob sie es ihm gerade ins Ohr flüstern würde. »Wir reiten beide gerne, also ist es beinahe unvermeidlich, dass wir uns unterwegs begegnen. Ich habe mir sogar einige Male eines von ihren Stallpferden ausgeliehen. Und wir haben uns unterhalten.« Wieder einmal stellte er fest, dass eine Lüge besser war, wenn man sie mit der Wahrheit versetzte. »Vielleicht wissen Sie, dass Miss Tierney vor beinahe einem Jahr ihren Bruder verloren hat. Nun ja, ich hatte eine kleine Schwester, die unter tragischen Umständen ums Leben kam, und ich weiß, wie es ist, wenn man sich danach sehnt, mit jemandem darüber zu sprechen.«
Da er zugegeben hatte, die Grenze vielleicht ein wenig überschritten zu haben, schien Zaslow geneigt, ihm zu glauben, dass er ansonsten die Wahrheit sagte.
»Sie wissen doch, wie leicht man da einen falschen Eindruck gewinnen kann.«
»Tja. Jetzt sehe ich das auf jeden Fall.« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, sodass einige der zurückgekämmten Strähnen wieder zu Locken wurden. Je jünger er im Augenblick aussah, desto besser. »Es tut mir sehr leid, Direktorin Zaslow. Für mich ist das alles noch neu, und ich merke, dass ich erst noch herausfinden muss, wie und wo man sich besser abgrenzt. Aber ich habe niemals Miss Tierneys Vertrauen ausgenutzt.« Aber Ihre Gutgläubigkeit nutze ich gerade aus, Frau Direktorin .
Balthazar tat das nicht gern, aber er war zu klug, um noch mehr zu verraten.
»Sie sagte, Ihre Freundschaft sei genau das. Eine Freundschaft.« Zaslow seufzte. »Ich neige dazu, Ihnen beiden zu glauben. Sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen – jedenfalls bisher noch nicht. Aber ich kann Ihnen sagen, dass dieses Mädchen bis über beide Ohren in Sie verliebt ist, und deshalb müssen Sie sich zurückziehen. Wenn nicht, dann werden Sie im besten Fall ein Teenager-Mädchen mit gebrochenem Herzen am Hals haben und eine Klage ihrer Eltern gegen den Schulbezirk im schlimmsten Fall.«
»Dazu wird es nicht kommen«, sagte Balthazar. Er war sich nicht sicher, auf welcher Grundlage ihre Eltern ihn überhaupt verklagen könnten, hoffte aber inständig, es niemals herauszufinden.
Zaslow wirkte eher erleichtert als frustriert. »Hören Sie, ich will, dass Sie sich eine Zeit lang Hilfe bei der Schulberaterin suchen. Sie erwartet Sie bereits, und sie wird sich in den nächsten
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