Balthazar: Roman (German Edition)
Redgrave unterhalten.«
»Ich weiß.« Zu allem Überfluss war ja auch noch Redgrave hinter ihr her. Wie viel mehr würde sie noch ertragen müssen? Es war einfach zu viel, und Balthazar spürte Wut in sich aufflammen: auf Redgrave, auf das Schicksal, auf ihren Bruder, weil der wie ein Verrückter gerast war, auf jeden, der Skye etwas antun wollte …
Keine Menschen , ermahnte er sich selbst.
Skye erzählte ihm nun vom letzten Auftritt Redgraves. Auch wenn Balthazar eine gewisse Erleichterung verspürte, dass Redgrave es nicht gewagt hatte, Skye in aller Öffentlichkeit anzugreifen – noch nicht jedenfalls –, machte ihn der Rest der Geschichte nur noch wütender. »Hör nicht auf seine – Vereinbarungen, Kompromisse, wie auch immer man es nennen will. Ich habe vor beinahe vierhundert Jahren darauf vertraut, und ich bezahle noch immer den Preis dafür.«
»Willst du damit sagen, … Redgrave ist der Vampir, der …«
»Er hat mich getötet und in einen Vampir verwandelt.« Balthazar fiel auf, dass er noch immer Skyes Hand umklammerte, und widerstrebend ließ er sie los. Es fiel ihm schwer, sich Skye oder irgendjemandem sonst anzuvertrauen, denn er wollte die Vergangenheit nicht durchs Wiedererzählen noch mal erleben. »Streng genommen habe ich in die Verwandlung eingewilligt. Aber erst, nachdem er mich so weit gebracht hatte, dass ich alles getan hätte, nur um sterben und den Qualen ein Ende bereiten zu können.«
Mit bleichem Gesicht nickte Skye. »Ich vertraue ihm nicht, und das wird sich auch nie ändern. Aber trotzdem weiß er etwas über mich, was wir nicht wissen.«
»Wir werden es schon selbst herausfinden.«
Seine Antwort war wie aus der Pistole geschossen gekommen; alles wäre besser, als sich an Redgrave zu wenden, um etwas in Erfahrung zu bringen. Balthazar war erstaunt, als Skye aufstand und zum Medizinschrank ging. »Gut. Dann wollen wir mal gleich damit anfangen.«
Als sie sich wieder umdrehte, hielt sie eine leere Plastikspritze in der Hand, und Balthazar dämmerte, was sie vorhatte. »Das ist keine gute Idee.«
Skye schüttelte den Kopf. Obwohl sie ganz offensichtlich immer noch geschwächt von dem war, was hinter ihr lag, hatte sie sich nun ein Ziel gesetzt und konzentrierte sich einzig darauf. »Wir können nur herausfinden, was mein Blut für einen Vampir bedeutet, wenn du davon trinkst.«
»Ich denke, das habe ich bereits.«
»Warte mal! Wie bitte?«
»Nach diesem Wahnsinn in der Tankstelle, unmittelbar, nachdem Mr Lovejoy verunglückt war, da habe ich einige Tropfen Blut gekostet, die ich auf dem Boden entdeckt hatte. Ich hatte geglaubt, sie stammten von ihm, aber … Ich habe mich hinterher seltsam gefühlt. Also muss es dein Blut gewesen sein.« Er schämte sich dafür zuzugeben, wie sehr es ihn nach diesem kurzen Genuss menschlichen Blutes verlangt hatte, aber die Sache war viel zu wichtig, um sie zu verschweigen. Die starken Halluzinationen, die er danach gehabt hatte, und das Gefühl des vollständigen Eintauchens in seine eigene Vergangenheit konnten doch nicht nur mit ihrem Blut zusammenhängen. Das war ausgeschlossen, oder doch nicht? »Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob es wirklich mit deinem Blut zu tun hat.«
»Du wirst es nur erfahren, wenn du es wieder versuchst und dieses Mal mehr von meinem Blut trinkst.«
»Das ist keine gute Idee.« Sich an den Geschmack ihres Blutes zu gewöhnen … Die Vorstellung allein war so unbeschreiblich verlockend, dass Balthazar das Gefühl hatte, das dürfe niemals geschehen.
Das Verlangen, menschliches Blut zu trinken, war ein Teil der Natur eines Vampirs, dem er nicht entkommen konnte, unausweichlicher sogar als der Tod selbst. Es war möglich, sich von Tieren zu ernähren, Balthazar hatte das ausprobiert, aber deren Blut hatte nicht die volle Lebendigkeit, nach der sich Vampire bis zur Raserei verzehrten. Im Laufe des letzten Jahrhunderts hatte das Verfahren der Blutspende dazu geführt, dass Vampire an menschliches Blut gelangen konnten, ohne dafür jemanden verletzen zu müssen. Doch wenn das Blut auch nur wenige Stunden außerhalb eines lebenden Körpers aufbewahrt worden war, hatte es bereits seine wertvollsten Qualitäten eingebüßt.
Menschenblut zu trinken ermöglichte es den Vampiren, auch weiterhin wie Menschen auszusehen und sich wie vernunftbegabte Wesen zu benehmen. Auch tierisches Blut hielt das Monster in den Vampiren in Schach, aber nicht annähernd so lange. Der Versuchung zu widerstehen, führte nur zu
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