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Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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nachdenken.«
    Der sanfte, traurige Ausdruck auf ihrem Gesicht weckte in ihm die Erinnerung an ein anderes Mädchen, eines, das ihr ähnelte. Der Name Bianca flackerte in seinem Geist auf, und er hatte das Gefühl, dass das wichtig war, aber der Gedanke entschwand ihm wieder.
    Jane hastete davon, und Balthazar stand einfach nur da und schaute ihr hinterher. Ihm kam der Moment wie ein Traum vor, und er fragte sich, ob das alles tatsächlich geschah, aber dann entschied er, dass ihm die Antwort darauf egal war. Wenn es ein Traum war, dann wollte er sich in ihm verlieren und ihn weiterträumen, so lange, wie er Jane hinterherblicken konnte, so lange, wie sie nicht aus seinem Blick entschwand.
    Das allein war alles wert.
    »Ein Jammer, die beiden Liebenden getrennt zu sehen«, höhnte Redgrave.
    Balthazar fuhr zusammen; er hatte nicht gehört, wie Redgrave näher gekommen war. Seine Wangen brannten, als er an den intimen Moment dachte, den dieser seltsame Mann vielleicht gesehen haben könnte. »Sir, Sie hätten sich bemerkbar machen sollen.«
    »Was ich doch zweifellos gerade getan habe.« Redgrave lehnte sich an einen Baum in der Nähe. Er schien ein Teil des goldenen Wäldchens zu sein und in unbegreiflicher Weise von Anbeginn der Zeit an dorthin zu gehören – und gleichzeitig war er dort ein Fremdkörper.
    »Willst du sie so einfach davongehen lassen?«
    »Ich werde sie bald schon wiedersehen.« Allerdings nicht für lange , dachte Balthazar, und es versetzte ihm einen Stich. Noch in diesem Monat würden ihr Vater und sie nach Rhode Island zurückkehren, wo Katholiken, Wiedertäufer und alle Arten von Freidenkern toleriert wurden.
    »Und doch denkt ihr beide, dass eine Trennung unvermeidlich ist. Dass ihr niemals heiraten könnt, obwohl ihr natürlich der Überzeugung seid, dass eine Ehe die einzig wahre Art und Weise ist zusammenzuleben.«
    Dieser Mann ging zu weit. Balthazar hatte versucht, um seiner Schwester willen freundlich zu den zwei Fremden zu sein, die erst vor Kurzem in ihre Gemeinde gekommen waren. Charity mochte ihr exzentrisches Auftreten, und auch die beiden schienen Charity ins Herz geschlossen zu haben. Aber irgendetwas an Redgrave und seiner Schwester hatte ihm von Anfang an nicht gefallen. Er und seine Begleiterin hatten unbekümmert verkündet, dass sie mit »Handel« ihr Vermögen gemacht hätten – ein Reichtum, der sogar den des Gouverneurs Winthrop übertraf. Und die Tatsache, dass Redgrave mit Blicken allein die Kirchenältesten zum Schweigen bringen konnte und sich über alle ihre Regeln hinwegsetzte, war nicht begeisternd, sondern eher beunruhigend. Wenn Balthazar sich mit irgendjemandem über seine persönlichen Angelegenheiten hätte unterhalten wollen, dann hätte er sich ganz sicher nicht John Redgrave dafür ausgesucht. »Ich weiß nicht, was Sie das angeht. Es schickt sich nicht, darüber zu sprechen.«
    »Schicklichkeit! Willst du wirklich darüber reden, was sich ziemt, nachdem ich gerade Zeuge einer so leidenschaftlichen Szene geworden bin?« Redgrave lachte. Balthazar, der nie auch nur die Knie oder die Schultern einer Frau, nicht einmal die seiner Mutter, gesehen hatte, fühlte sich beschämt davon, dass er in so einem außergewöhnlich privaten Moment beobachtet worden war. Und Redgrave war boshaft genug, über sein Unbehagen auch noch zu lachen. Gerade in dem Moment, als Balthazar ohne ein weiteres Wort davongehen wollte, fuhr Redgrave fort: »Was wäre, wenn ich dir verraten würde, dass es einen Weg gibt, all den Fesseln, die euch binden, zu entgehen?«
    Dem Schicksal zu entgehen, ein Sohn zu sein? Ein Bruder? Ein Bewohner der Massachusetts-Bay-Kolonie? »Unmöglich.«
    »Keineswegs.« Redgrave rückte näher heran, so nahe, dass Balthazar sich noch unwohler fühlte als zuvor. »Was wärst du bereit zu tun, um mit der Frau, die du liebst, zusammen zu sein?«
    Balthazar überlegte eine Weile, ehe er antwortete: »Alles, außer auf Ihr Angebot einzugehen.«
    Redgrave gefiel diese Erwiderung ganz und gar nicht. Zum ersten Mal verriet ein zorniges Aufblitzen in seinen Augen, dass seine Selbstbeherrschung ins Wanken geraten war.
    Balthazar verspürte einen kleinen Anflug von Triumph. Wie gut es tat, sich nicht von dem arroganten Auftreten dieses Mannes einschüchtern zu lassen.
    Doch Redgrave sagte lediglich: »Wir werden sehen, wozu du bereit sein wirst. Ich kann dir jetzt schon verraten, Balthazar: Du wirst überrascht sein.«
    Seile spannen sich um seine Handgelenke. Blut

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