Balthazar: Roman (German Edition)
Wahnsinn und brachte die innere Bestie näher an die Oberfläche. Balthazar musste von Zeit zu Zeit Menschenblut trinken, um nicht ein unaufhaltsamer Mörder zu werden. Das war die bittere Ironie, die zur Existenz als Vampir gehörte.
Aber vom Blut eines einzigen Menschen abhängig zu werden, das war weitaus gefährlicher, als überhaupt kein Blut zu sich zu nehmen.
Skyes Gesichtsausdruck wurde noch entschlossener. »Es ist die einzige Möglichkeit herauszufinden, auf was Redgrave und sein Clan aus sind, also werden wir es jetzt machen.« Sie zögerte einen Moment, als ihr Blick auf die Nadel fiel. »Ich habe das zwar noch nie zuvor gemacht, aber im Fernsehen sieht das immer ganz leicht aus.«
»Genauso leicht, wie sich mit hundertachtzig Sachen auf dem Highway zu überschlagen, ohne dabei draufzugehen.« Balthazar nahm ihr die Spritze aus der Hand. »Ich habe im Koreakrieg als Sanitäter gearbeitet und weiß, was zu tun ist.«
Natürlich hatte sie recht. Sie mussten Nachforschungen anstellen, und es gab keinen anderen Ansatzpunkt, als ihr Blut auf seine wahren Kräfte hin zu testen.
Doch als Balthazar Skye ansah, wusste er, dass sie ein gefährliches Spiel spielten. Die Vision, die er beim letzten Mal gehabt hatte, war so überwältigend und so real gewesen, dass er die Kontrolle über das Hier und Jetzt verloren hatte. Das war zwar immer schlimm, aber hier, wo ihm das Blut einer lebenden Person zur Verfügung stand, menschliches Blut, das er so verzweifelt vermisste und nach dem er sich verzehrte, in diesem kleinen, abgeschiedenen Raum hinter verschlossener Tür, mit einem Mädchen, das ihn noch mehr anzog als ihr Blut …
Balthazar schob den Ärmel ihres weichen Pullovers in Pflaumenblau hoch. Ihre menschliche Haut war warm und fühlte sich seidig auf seiner an. Er hat nichts, womit er ihren Arm hätte abbinden können, und so schloss er einfach seine Faust kurz über ihrem Ellbogen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als sie so leise aufstöhnte, dass er es kaum hören konnte. Auf der bleichen, zarten Haut ihrer Armbeuge zeichneten sich nach und nach ihre blauen Adern ab, prall gefüllt und dunkel von ihrem Blut.
Der Jäger in ihm wollte die Nadel wegwerfen, seinen Mund in die Kuhle pressen und tief hineinbeißen. Seine Reißzähne schmerzten in seinem Kiefer und warteten nur darauf zu wachsen.
Langsam und bedächtig stach Balthazar Skye die Nadel in den Arm und lockerte seinen Griff. Leuchtend rote Flüssigkeit lief in die Spritze. Wie immer hatte dieser besondere Farbton des Blutes eine hypnotisierende Wirkung auf ihn, und alles, was er tun konnte, war weiterzumachen, im richtigen Augenblick die Nadel wieder herauszuziehen und Skyes Arm zu beugen.
»Das kannst du aber gut«, plapperte Skye. »Es hat überhaupt nicht wehgetan.«
Balthazar konnte den Blick nicht von der Spritze wenden. Er spürte die Hitze des Blutes durch das Plastik hindurch. »Ich werde das jetzt trinken. Wenn ich anfange, mich seltsam zu benehmen, vor allem, wenn ich auf dich zugehe, dann sieh zu, dass du von hier verschwindest. Und zwar auf der Stelle.«
Skye presste ihren angewinkelten Arm gegen ihre Brust, als wenn ihr das einen Schutz bieten könnte, aber sie antwortete nichts. Balthazar nahm die Spitze der Spritze in den Mund und ließ sich das warme, echte und wahre Menschenblut in seinen Mund laufen …
… und war weit weg.
Massachusetts, 1640
»Du fängst mich nicht.«
Obwohl er Jane nicht sehen konnte, konnte er sie kichern hören. Balthazar hielt nach ihr Ausschau, aber im dichten Wald um die Lichtung herum, in dem die Blätter eben erst begannen, sich golden zu färben, verschmolz sie mit den Schatten.
Lächelnd rief er zurück: »Ich kann es ja mal versuchen.«
Er lief in die Richtung, aus der ihre Stimme gekommen war, und erntete dafür lautes Lachen. Kurz darauf entdeckte er sie: Im Sommer würde Janes grünes Lieblingskleid sie im Wald unsichtbar machen, aber nun hob es sich von den Goldtönen ab, und diese Verfärbung war das einzig Lebendige in diesem Wald, der kurz vor seinem langen Schlaf stand.
Obwohl Balthazar Jane mühelos hätte einholen können, zog er das Fangspiel so lange wie möglich hinaus. Es war so herrlich, ihr Lachen zu hören und sich keine Sorgen machen zu müssen, dass irgendjemand sie belauschen und dafür verurteilen könnte, dass sie es genossen, nur für den Augenblick zu leben …
Noch schöner war es dann jedoch, sie endlich zu fangen. Sanft ließ er seine Hände über ihre
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