Balthazar: Roman (German Edition)
Kiefer herunter, aber kurz darauf hatte sie sich wieder so weit gefangen, dass sie sagen konnte: »Dann hasst du dich also so sehr, dass du mich dafür bestrafst.«
»Tu nicht so, als ob du mich verstehen würdest.«
»Ich verstehe jedenfalls genug.« Sie kletterte aus dem Bett, zuckte aber bei jeder Bewegung zusammen: Die geschärften Sinne, die ein Vampirbiss zur Folge hatte, ließen zweifellos die Eindrücke auf sie einströmen. »Du warst mal ein Vampir wie Redgrave und die anderen. Du hast schreckliche Dinge getan. Dann hast du angefangen, ein gutes Leben zu führen, behandelst dich selbst aber noch immer so, als ob du eine schlechte Person wärst.«
»Wenn du tot bist, dann kannst du deine Vergangenheit nicht so einfach hinter dir lassen.«
»Tja, weißt du was? Das kann niemand.«
Balthazar unterdrückte den Impuls, das Streitgespräch fortzusetzen. »Ich gehe jetzt. Und ich werde aufpassen, dass dir auf deinem Weg zur Schule nichts passiert.«
»Aufpassen, ja«, gab sie zurück. »Das ist alles, was du kannst.«
Balthazar stürmte hinaus und warf hinter sich die Tür zu ihrem Schlafzimmer ins Schloss. Skye rannte ihm nicht hinterher.
Wenn sie begreifen würde , dachte er , wenn sie wüsste, wie beschmutzt ich bin und wie unheilbringend für alles, was ich liebe …
Das war der erste Moment, in dem er keine Zweifel mehr daran hatte, dass er sie liebte. Und es war der Moment, in dem er ihr Elternhaus verließ und vorhatte, niemals wieder dorthin zurückzukehren.
18
Skye schaffte es, sich für die Schule fertig zu machen, als wäre es ein Tag wie jeder andere. Ihr Körper bewegte sich, obwohl sie das Gefühl hatte, ihr Herz sei gebrochen.
Sie war abgewiesen worden. Nun, so etwas geschah. In der Mittelstufe war sie in Jason Mulroney verknallt gewesen, und er hatte sie nie auch nur eines zweiten Blickes gewürdigt. Sie würde schon damit klarkommen.
In der Mittelstufe einen Jungen zu mögen, war allerdings etwas anderes, als einen Jungen zu finden, mit dem man alles teilen konnte, der wusste, wie sehr man verletzt worden war und was man verloren hatte, und dem man trotzdem am Herzen lag …
Es war so, wie Craig zu verlieren. Doch auch das hatte sie überlebt.
Craig ist mit dir ins Bett gegangen und hat dich danach, ohne mit der Wimper zu zucken, wegen einer anderen verlassen. Vielleicht bist du einfach ein Mädchen, bei dem das Weggehen leichtfällt.
Niemals hatte sie sich so nach Craig gesehnt wie an diesem Morgen nach der Nacht mit Balthazar. Erst in diesem Moment hatte sie begriffen, dass sie mit Craig vor allem deswegen Sex gehabt hatte, weil sie nach Dakotas Tod Nähe und Trost gesucht hatte. Was wirkliches Begehren bedeutete, hatte sie aber erst begriffen, als sie in den Armen eines Jungen aufgewacht war, den sie nicht haben konnte.
Skye tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen ab. Dann tat sie weiter so, als wäre es ein gewöhnlicher Tag, nur dass sie heute eben wasserfeste Wimperntusche benutzte. Vermutlich würden ihr immer wieder die Tränen kommen.
Die Situation wurde nicht leichter, als sie in der Schule angekommen war. Jedes Geräusch erschien ihr unerträglich laut, und selbst die wenigen, fahlen Sonnenstrahlen, die den unablässig herabrieselnden Schnee durchdrangen, waren zu gleißend für sie, ebenso wie die Neonlichter auf den Fluren der Darby Glen High. Bildete sie sich das nur ein, oder war ihr Gehör tatsächlich geschärft? Tennisschuhe quietschten auf dem Linoleumboden, ein metallisches Scheppern ertönte, als Spindtüren zugeschlagen wurden, irgendjemand hörte Florence and The Machine über Kopfhörer. All diese Eindrücke überrollten Skye, und sie fühlte sich ganz benommen.
»Hey«, sagte Madison und gesellte sich zu ihr; gemeinsam gingen sie zum Klassenraum, in dem sie die erste Stunde hatten. »Was ist denn mit dir passiert? Ich will dich ja nicht beleidigen, aber du siehst vielleicht fertig aus!«
»Das kannst du wohl laut sagen; ich fühle mich auch total erledigt.« Skye ließ ihre Bücher auf ihren Tisch sinken, zuckte aber bei dem Geräusch zusammen.
»O mein Gott, hast du etwa einen Kater? Du benimmst dich, als hättest du einen echt üblen Kater.«
»Ich habe einfach nur schlecht geschlafen.« Skye suchte fieberhaft nach einer weiteren Erklärung für ihren Zustand, und schließlich fiel ihr etwas ein. »Außerdem hat mich gestern mein Pferd abgeworfen. Ich habe mich zwar nicht verletzt, aber es hat mich ganz schön durchgerüttelt, und ich habe
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