Balthazar: Roman (German Edition)
überall blaue Flecken.«
»Du Ärmste.« Madison beugte sich über ihren Tisch und flüsterte in gespielter Vertraulichkeit: »Wie wäre es, wenn ich dir etwas verraten würde, wonach du dich garantiert besser fühlst?«
»Wir müssen nie mehr zur Schule gehen?« Skye war zu müde, um sich einen besseren Scherz einfallen zu lassen. Craig und Britnee kamen Hand in Hand herein, und Skye musste ihre Augen schließen.
»Als ob ich dann jetzt noch hier wäre. Hör mal, du weißt doch, dass der Valentinsball vor der Tür steht. Und du wirst eine Verabredung haben. Rate mal, wer dich fragen wird? Keith.«
Skye musste in ihrer Erinnerung kramen, wer eigentlich Keith war. Natürlich einer von Madisons Freunden. Er war eigentlich ganz süß, allerdings vom Typ her wie die blonden Models in den Katalogen, auf die sie nicht so stand. »Oh.«
»Oh? Bei solchen Neuigkeiten fällt dir nicht mehr als Oh ein? Keith ist der heißeste Typ der ganzen Schule.« Madison machte eine Pause, ehe sie hinzufügte. »Abgesehen natürlich von einem gewissen Geschichtslehrer.«
In diesem Augenblick betrat Balthazar den Raum. Skye sah hoch und fing seinen Blick auf; sein Gesichtsausdruck spiegelte ihre eigene innere Verzweiflung wider. Gleichzeitig schauten sie beide weg. Danach konnte sie nur noch auf ihren Tisch starren und war froh über ihr wasserfestes Mascara.
Madison flüsterte: »Er benimmt sich genauso seltsam wie du.«
Skye zuckte mit den Schultern. Sie traute ihrer eigenen Stimme nicht genug, um etwas zu antworten.
Irgendwie überstand sie die Anwesenheitskontrolle und die Geschichtsstunde, die zum allerersten Mal öde war. Balthazar kämpfte sich offensichtlich über die Zeit, und es war ein kleiner Trost, dass er sich anscheinend ebenfalls schrecklich fühlte.
Alles hätte so anders sein können, wenn er sich heute Morgen für sie entschieden hätte.
Als es endlich klingelte – ebenfalls lauter als je zuvor –, stürzte Skye, so schnell sie konnte, aus dem Klassenzimmer. Mr Bollingers Raum kam ihr wie der einzige sichere Hafen in dieser ganzen Schule vor, auch wenn sie halb erwartete, dass er sie wieder die Triangeln würde polieren lassen. Als sie jedoch an Miss Loos’ Zimmer vorbeiging, fühlte sie es: Schmerz schoss ihr den Arm hinauf und legte sich auf ihre Brust.
Sicher: Der Arzt hat zur Vorsicht gemahnt, aber der Hausmeister hat nicht geglaubt, dass er wirklich sterben könnte, nicht bis zu diesem Augenblick …
»O nein«, flüsterte Skye. Bislang hatte sie noch nie spüren können, wie jemand starb, wenn es eine Barriere zwischen ihr und dem Ort gab, an dem die betreffende Person den Tod gefunden hatte. Aber heute waren anscheinend alle ihre Sinne geschärft.
Skye nahm die Beine in die Hand, um so schnell wie möglich von diesem Klassenzimmer wegzukommen, und sie rannte viel schneller durch die Gänge, als es erlaubt und ungefährlich war. Einige Mitschüler fluchten, als sie versuchten, ihr aus dem Weg zu springen, und sie konnte Coach Haladki, schlecht gelaunt wie üblich, hören, die ihr hinterherbrüllte, sie solle ihr Tempo mäßigen. Aber das war ihr egal. Jetzt war nur wichtig, so schnell wie möglich von diesem Todeskampf wegzukommen.
Da prallte sie so heftig mit jemandem zusammen, dass sie ins Straucheln geriet, während ihr Gegenüber zu Boden ging.
»Tut mir leid!« Skye keuchte, als sie sich bückte und fallen gelassene Bücher zusammensammelte. Erst in diesem Moment sah sie, wen sie da über den Haufen gerannt hatte. Britnee Fong starrte sie an; sie sah zwar ein wenig verärgert, vor allem aber erschrocken aus.
»Bist du irgendwie in Schwierigkeiten?« Es klang nicht so, als würde sie daran glauben, dass Skye tatsächlich auf der Flucht vor irgendetwas wäre. Britnee fuhr mit dem nervtötenden Frageton in ihrer Stimme fort: »Du warst nämlich ganz schön schnell unterwegs? Und ich hoffe doch wohl, dass du die Leute nicht mit Absicht umrennst?«
»Ich habe doch gesagt, dass es mir leidtut«, sagte Skye knapp. Bei jedem anderen Menschen hätte sie sich überschwänglicher entschuldigt, aber nicht bei dieser Tussi. Nicht bei Britnee, die ihr den Freund ausgespannt hatte. Als ob dieser ihre Gedanken gehört hätte, tauchte in diesem Moment Craig auf und half Britnee auf die Beine. »Was ist eigentlich dein Problem, Skye?«
»Mein Problem? Mein Problem?« Sie wäre froh, wenn sie nur ein einziges Problem hätte, um das sie sich kümmern müsste. »Vergiss es, okay?«
»Nein«, sagte Craig.
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