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Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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Ende. Sie wird nie wieder die Alte und nie wieder bei klarem Verstand sein. Jane ist die Stärkere; sie kann das verkraften. Für Charity ist es bereits zu spät.
    Er ließ den Blick auf seiner Schwester ruhen. Einen Moment lang erinnerte er sich daran, wie sie als kleines Kind auf der Wiese gespielt hatte. Sie hatte so gerne Blumen gepflückt, bis sie die Arme voll davon hatte; dann war sie zu ihm gekommen und hatte ihm die Sträuße in den Schoß fallen lassen.
    Er schloss seine geschwollenen Augen, und alles, was er einen letzten, entsetzlichen Moment lang hören konnte, waren das Rauschen des Blutes in Charitys Adern und ihr Singsang: »Machen alle husch, husch, husch.«
    Irgendetwas in Balthazar setzte aus. Er machte einen Satz in Richtung der Mädchenstimme und hörte, wie Charity zu schreien begann: »Nein! Nein! Nicht, nicht du, bitte, tu es nicht!« Dann grub er seine Zähne in ihren Hals. Charitys Schreie wurden schriller, und sie versuchte verzweifelt, Balthazar mit ihren gefesselten Händen wegzudrücken, aber er war nun nicht mehr aufzuhalten. Er wollte nicht von ihr ablassen. Dieses Gefühl – seine Zähne in menschlichem Fleisch, Menschenblut in seinem Mund, sein Körper, der mit jedem Schluck stärker wurde – war das wunderbarste, befriedigendste Gefühl, das er je verspürt hatte.
    Charitys Abwehrversuche wurden schwächer und hörten irgendwann ganz auf. Ihr Körper wurde schwer in seinen Armen. Ihr Puls wurde flach und ungleichmäßig wie das Flügelflattern eines Schmetterlings, bis er schließlich erstarb.
    Balthazar ließ ihren Körper auf den Stallboden sinken. Zuerst fühlte er nichts als das Verlangen nach noch mehr Blut. Aber nein, sein Durst war gestillt. Erst in diesem Augenblick begriff er wieder mit klarem Verstand, dass vor ihm seine kleine Schwester lag, die er soeben getötet hatte. Sie sah aus wie eine zerbrochene Porzellanpuppe. Balthazar wich zurück von ihr, angewidert von dem, was er getan hatte, aber er konnte es nicht ungeschehen machen.
    »Geht es dir jetzt nicht viel besser?«, fragte Redgrave. »Sei nicht so niedergeschlagen. Beim nächsten Sonnenaufgang wird sie wieder bei uns weilen. Vermutlich wird sie nicht besonders gut auf dich zu sprechen sein, aber was soll’s? Sie wird wach und unsterblich sein.«
    Langsam hob Balthazar den Kopf, um Jane anzublicken. Der Abscheu auf ihrem Gesicht schien seiner Seele einen Spiegel vorzuhalten.
    Sie wird das hier überwinden , sagte er sich. Sie wird verängstigt sein, und sie wird mich bis an ihr Lebensende hassen, aber sie wird damit klarkommen. »Lass sie gehen«, sagte er zu Redgrave. »Du hast mich gezwungen, eine der beiden auszusuchen. Ich habe meine Wahl getroffen. Wir sind hier fertig.«
    Constantia half Jane auf die Beine und strich ihr das Kleid glatt. Jane zitterte so stark, dass sie kaum allein stehen konnte, aber auf ihrem Gesicht lag ein entschlossener Ausdruck.
    Redgrave sagte: »Ich habe dich wählen lassen, welche der beiden zum Vampir gemacht werden soll. Ich habe nie gesagt, was mit der anderen geschieht.« Er packte Jane am Hals und drehte ihn um, wie man es bei einem Huhn tun würde. Knochen brachen. Der Glanz in Janes Augen verlosch. Constantia trat einen Schritt zurück, und Jane sank tot zu Boden. Balthazar starrte sie an. Er hätte wutentbrannt sein sollen, oder ihm hätte übel werden müssen. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, dass ihn die Trauer überwältigte. Aber es war, als könnte er überhaupt nichts mehr spüren, als wäre ihm jede Fähigkeit, ein normales Gefühl zu empfinden, für immer verloren gegangen. Er warf einen letzten Blick auf das Mädchen, das er geliebt hatte. Janes Haar hob sich dunkel vom Stroh ab.
    »Was für eine Verschwendung einer guten Mahlzeit, wenn du mich fragst«, sagte Constantia.
    »Tu dir keinen Zwang an«, entgegnete Redgrave. »Sie ist noch frisch.«
    Balthazar kam mit einem Ruck zu sich. Viel schockierender, als sich selbst im Hier und Jetzt wiederzufinden, war die Erkenntnis, dass er in Skyes Bett lag und sie in seinen Armen hielt.
    Sie war noch immer benommen, und anders als er selbst war sie vollständig bekleidet. Gott sei Dank hatte er nicht völlig die Kontrolle verloren. Aber die kleinen Bisswunden an ihrer Kehle waren unübersehbar. Die Male verheilten rasch, wie es bei Vampirbissen immer der Fall war. Doch der bloße Anblick war wie ein Schlag in die Magengrube.
    Da hörte er eine Frauenstimme auf dem Flur. »Skye, Süße, bist du wach?«
    Skye regte

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