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Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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werde ins Café Keats gehen. Ich nehme die Abkürzung, da ist niemand sonst unterwegs. Treffe mich dort mit Madison, wenn sie Schulschluss hat. « Es war merkwürdig, dass sich Madison nicht gemeinsam mit ihr abgemeldet hatte. Skye hätte ihre Gesellschaft heute zu schätzen gewusst, aber wenn jemand während der Freiarbeitszeit gerne arbeiten wollte, dann nur zu. »Bei diesem Wetter werden sich nicht einmal Vampire draußen herumtreiben .«
    »Vermutlich nicht «, schrieb Clem zurück. »Aber melde dich bei mir, wenn du da bist. Außerdem will ich mehr über dein Date für den Ball erfahren .«
    Skye seufzte. Keith hatte sie beiläufig in der Mittagspause gefragt. Entweder war es ihm vollkommen egal gewesen, ob sie ja oder nein sagte, oder er hatte gewollt, dass sie genau das dachte. Was für ein Blödmann! Aber da die Alternative war, zu Hause zu sitzen und sich wegen Balthazar die Augen aus dem Kopf zu weinen, sagte sie zu. » Na klar. Ich schreib dir in zehn Minuten noch mal, ich versprech’s. «
    Es war ein beinahe befriedigendes Gefühl, durch die Schneewehen zu stapfen. Das Knirschen ihrer Stiefel im Schnee war praktisch das einzige Geräusch, das sie hören konnte, und selbst ihr geschärftes Gehör reagierte nicht allzu heftig darauf. Skye machte einen Bogen um das Schulgelände und war dankbar, dass der Hausmeister ausreichend Salz auf die gepflasterten Wege und die Treppe gestreut hatte. Sie musste nur noch die Abkürzung durch die Schlachtfeld-Senke nehmen, und in wenigen Sekunden wäre sie schon im Café Keats. Der einzige Grund, warum sie es noch nicht sehen konnte, war der dichte Schneevorhang.
    Er hat Angst, er weiß nicht, was er tun soll. In den Büchern, die Mama ihm vorgelesen hat, und auf den Gemälden, die er gesehen hat, ist der Krieg nicht so gewesen. Hier gibt es keine Schlachtreihen, niemand sagt ihm, was er tun soll. Hier gibt es nur die Männer, die auf ihn zustürmen, um ihn zu töten, und ihm selbst bleibt nichts anderes übrig, als dasselbe zu versuchen. Warum hat ihm niemand gesagt, wie entsetzlich es sich anfühlte, jemanden umzubringen?
    Verdammte Muskete! Das verfluchte Ding lässt sich nicht nachladen, und schon sind die verdammten Franzmänner bei ihm.
    Die Kugel, die seinen Kopf durchschlägt, fühlte sich wie ein Hieb an, als hätte seine Mutter ihm einen kräftigen Klaps aufs Ohr gegeben. Er stirbt nicht sofort. Er hat noch genug Zeit, sich mit einer Hand ans Ohr zu greifen, oder besser gesagt dorthin, wo mal die Seite seines Kopfes war. Erst dann setzt der wahre Schmerz ein, und die Welt wird schwarz.
    Skye schwankte, während die Visionen von allen Seiten auf sie einstürmten: Soldaten – in roten Mänteln, in blauen, einige Indianer in selbst gefertigter Wollkleidung – gaben Schüsse ab, wurden erschossen, stachen zu, wurden erstochen und schrien ihren Schmerz hinaus, der Skye in Wellen durchfuhr.
    Schlachtfeld-Senke , dachte sie. Sie kannte sie schon ihr ganzes Leben lang und hatte doch nie einen weiteren Gedanken daran verschwendet. Niemals hatte sie sich überlegt, wie der Ort zu seinem Namen gekommen war.
    Die Wege der Kugeln durch ihren Körper waren gleißende, heiße Bahnen des Schmerzes. Die Angst, der Zorn und die Qualen der Sterbenden stiegen in ihr auf und waren tausend Mal schlimmer als alles, was ihre Visionen sie bislang hatten durchleiden lassen.
    Skye konnte nichts mehr sehen, nicht denken. Sie war weder bei Bewusstsein, noch ohnmächtig; ihr Geist gehörte nicht länger zu ihr. Sie hatte nicht mehr genügend Kraft, um sich auf den Beinen zu halten, und fiel mit dem Gesicht nach unten in den hohen Schnee. Es kam ihr so vor, als ob die Flocken jetzt noch schneller herabfielen, um sie für alle Zeiten unter sich zu begraben.

19
    »Dafür schulden Sie mir was, mein Bester«, sagte Rick Bollinger, als er einwilligte, Balthazar in der Freiarbeitsstunde zu vertreten.
    »Nennen Sie mir Ihren Preis.« Balthazar hatte ein Lächeln auf dem Gesicht, aber er konnte an nichts anderes denken, als daran, dass er so schnell wie möglich – nämlich auf der Stelle – das Schulgebäude verlassen musste.
    »Wie wäre es mit … oh, hm … der Aufsicht beim Valentinsball?«, schlug Rick vor und klang gespielt unschuldig.
    »Sie wissen, wie man handelt.«
    »Ja, so bin ich. Der Pate der Darby Glen High.«
    »Also gut. Ich mach’s. Vielen Dank noch mal.« Balthazar schaffte es nur mit Mühe, die Bibliothek zu verlassen und die Tür hinter sich ins Schloss zu ziehen, ehe er

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