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Baltrumer Bitter (German Edition)

Baltrumer Bitter (German Edition)

Titel: Baltrumer Bitter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Barow
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Worte konnte er auf das Papier setzen. Immer wieder glitt sein
Blick auf die Angel, die Steenken in den Händen schaukelte, den Ast neben sich
im Sand. Konnte das eine Chance sein? Konnte er einfach abhauen? Nein. Es würde
viel zu lange dauern, seinen Körper auf Weglaufen einzustellen. Sich überhaupt
erst einmal aufzurichten.
    »Mach schon. Ich warte nicht ewig.«
    Was würde passieren, wenn er sich einfach weigerte,
weiterzuschreiben? Vermutlich würde seine zweite Angel ebenfalls dabei
draufgehen. Aber sonst?
    »Lohmann, du Arschloch.« Ein scharfes Knacken durchzuckte
seinen Körper, als Steenkens Fuß ausholte  und ihn mit voller Wucht in die
Seite trat.
    »Warte noch. Ich – das Schreiben – ich zittere so – kann ich
dir nicht …?«, stöhnte er.
    »Was?«
    »Wie wäre es, wenn wir zusammen …«
    »Ich schlage dich tot, Enno Lohmann.«
    *
    Seine Energie war verpufft wie die Luft aus einem kaputten
Ballon. Schnell und endgültig. Er hatte den Bürgermeister an der Strandmauer
liegen lassen, sich einfach umgedreht, und war müde durch den feuchten Sand zum
Strandaufgang beim Strandhotel gestapft.
    Oben auf der Strandmauer warteten die Menschen auf den
Sonnenuntergang. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis die rote Scheibe
zwischen den Wolken im Meer versank. Also vertrieb man sich die Zeit mit einem
Prosecco oder einem Glas Bier von der Sonnenuntergangsbude . Diese Menschen
hatten nicht gemerkt, was sich ein paar Hundert Meter weiter unterhalb der
Mauer zwischen Lohmann und ihm abgespielt hatte. Er schaute sich um. Nein, auch
er konnte von hier aus die Stelle nicht mehr einsehen, wo er auf Lohmann getroffen
war. Die Krümmung der Strandmauer machte dies unmöglich.
    Eigentlich hätte seine Wut für zwei reichen sollen. Für den
Bürgermeister und Georg Hanefeld. Seinen Kollegen. Seit mehr als zwanzig
Jahren. Dem er in seinem Leben schon eine Menge erzählt hatte. Den er für
verschwiegen gehalten hatte. Aber nun sah er die Sache anders. Natürlich
konnten einige andere Insulaner mit den Inhalten der neuen Wählergemeinschaft
hausieren gegangen sein. Ohne Frage. Aber nur mit Hanefeld hatte er kurz seine
Überlegungen zu seinem Häuschen im Ostdorf geteilt. Außer mit Margot natürlich.
Nur Hanefeld konnte Lohmann oder Wybrands den Tipp gegeben haben. Und Hanefeld
wusste auch, dass Ulfert Pallmann überlegte, seine Häuser zu verkaufen. Hatte
der Mann vielleicht sogar näheren Kontakt zu Wybrands? Natürlich! Wybrands
hatte Hanefelds Haus saniert. Da kam man schon mal auf einen Plausch zusammen.
    Sollte er Hanefeld zur Rede stellen? Sein Erlebnis mit Lohmann
reichte ihm eigentlich für diesen Tag. Und für viele, die noch folgten. Aber
trotzdem – er musste Gewissheit haben.
    Um die Turnhalle herum waren jede Menge Menschen unterwegs,
vermutlich alle mit dem gleichen Ziel. Es war Mittwoch und damit traditionell
Theaterabend. Die Baltrumer Bühne zeigte Charleys Tante , eines von drei
Stücken, die im Sommer in wöchentlichem Wechsel aufgeführt wurden. Und für die
Baltrums Theatergruppe in der Winterzeit intensiv probte.
    Als Arnold Steenken am Tarzanwäldchen vorbeikam, fuhr er
langsamer. Hier hatten sie also den Visser gefunden. Außer dem rot-weißen
Flatterband wies nichts mehr darauf hin, dass dort ein Toter gelegen hatte.
Gleich neben dem Wäldchen spielten einige Gäste Cobigolf und fröhliches Lachen
klang zu ihm herüber auf die Straße.
    Ihm wurde schlecht. Was hatte er da eben getan? Immer wieder
tauchte vor seinem inneren Auge die massige Gestalt des Bürgermeisters auf, der
wie ein toter Wal unterhalb der Strandmauer lag. Wozu hatte er sich herabgelassen?
Es gab andere Wege, solche Schweine aus dem Weg zu räumen. Ohne Gewalt. Margot
… Was würde Margot dazu sagen? Würde er es ihr erzählen? Er würde es müssen.
Und seinen Wunsch, selbst Bürgermeister der Insel zu werden, konnte er abhaken,
wenn bekannt wurde, was er da gerade mit dem jetzigen veranstaltet hatte. Man
gut, dass er seine Pläne noch nicht öffentlich gemacht hatte.
    Auf der Höhe des Wasserwerkes bremste Arnold scharf. Noch immer
kamen Familien vom Strand, Kinder, Badetaschen und Kühltaschen im Bollerwagen
hinter sich herziehend. Ein Kind hatte sich weit über den Holzrand des
quietschenden Wägelchens gebeugt und ließ die Ohren eines großen blauen
Stoffhasen über die roten Pflastersteine streifen. Fast wäre er darüber
weggefahren.
    Er machte einen großen
Schlenker und konnte gerade noch vermeiden, sein Rad

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