Banalverkehr - Roman
als ich mich unglaublich aufregte. Also habe ich sie mit nach Hause genommen und wir haben zusammen die restliche Schachtel Zigaretten geraucht. Dann kam Lutz von der Arbeit, hat die Küche durchgewischt, die Soyasoßen-Laken gewechselt und danach gekocht. Kartoffelbrei, Maishähnchen und grüne Bohnen. Ich schätze, mit den Bohnen will er unsere Beziehung auf eine neue Ebene heben. Zum Teufel mit den Manieren. Lass uns gemütlich zusammen pupsen. Ich hasse ihn.
Lutz schiebt sich ein kleines Bündel Bohnen in den Mund und lächelt. Das hasse ich auch.
»Lutz, ich bin schwanger.«
Ha! Nimm das! Für die Bohnen! Für dieses schmalzige Lächeln! Dafür, dass du mir mein Leben versaust!
Sekundenlange Stille.
Dann klirrt die Gabel auf den Teller, und Lutz rennt ins Bad. Ich glaube, er übergibt sich. Und es hört sich an, als würde er ein bisschen weinen.
Zu jung, um Vater zu sein. Zu viel Verantwortung. Zu viele schlaflose Nächte, die vor uns liegen. Zu wenig Geld, um eine Familie zu versorgen.
Und dann irgendwann der Superlativ von einem verliebten Lächeln, als Lutz begreift, was das außerdem noch bedeutet: das lebenslange Exklusivrecht auf Puppe. Jetzt sind wir nämlich wirklich zusammen. Und ich kann nicht weg. Unter anderem, weil meine Füße angeschwollen sind. Und weil ich ständig pinkeln muss. Und weil mein Rücken wehtut. Ich würde wahrscheinlich nicht mal bis zur nächsten Straßenecke kommen.
Ich bin schwanger. Das war’s. Game over.
Das Einzige, was mich in den nächsten Wochen aufheitert, ist eine E-Mail von Lene. Sie kommt am zehnten Mai, genau achtundzwanzig Tage, nachdem wir das letzte Mal telefoniert haben. Nicht, dass ich die Tage gezählt hätte, nein, natürlich nicht. Sie hat den Betreff: »Einfach mal wieder hallo«.
Einfach . Weil wahrscheinlich alles ganz einfach ist für sie. Einfach mal schwanger werden, einfach mal eine zehnjährige Freundschaft beenden, sich einfach mal wieder melden, nachdem man sich einfach mal eben achtundzwanzig Tage, die ich natürlich nicht mitgezählt habe, nicht gemeldet hat. Ach ja, um genau zu sein, hätte sie sich einfach mal sechzig Tage nicht gemeldet, gerechnet seit dem Krapfentelefonat, wenn wir jetzt kleinlich wären und darauf rumreiten würden, dass ich sie vor achtundzwanzig Tagen angerufen habe. Hmpf. Jedenfalls schreibt sie, dass sie glücklich sei und die Geburt ihrer Tochter gar nicht erwarten könne. Sie hat ein Foto angehängt, auf dem sie ihren Fünfmonatsbauch mit einem breiten Grinsen präsentiert. Ich finde, sie sieht aus wie ein adipöses Känguru, aber ich muss gerade reden, wo ich mich jetzt schon fühle, als hätte man mir eine Luftpumpe in den Arsch geschoben und wild drauf losgepumpt. Sie sieht überhaupt ganz anders aus. Ihre Lippen glitzern nicht mehr pink, ihre hellblonden Kokosnussdufthaare zeigen einen ungefähr fünf Zentimeter breiten dunklen Ansatz. Sie war schon lange nicht mehr beim Frisör. Und ihre Nase kräuselt sie vermutlich auch nicht mehr, und wenn doch, dann nur noch über sich selbst, denn in ihren schlabberigen Schwangerschaftsklamotten sieht sie aus wie … wie ein Idiot.
Ich schreibe zurück, dass ich auch schwanger sei. Ätsch! Und dass Lutz die Geburt unserer Rucksack-Erbse auch kaum erwarten könne. Nochmal Ätsch! Ich kann ihr zwar kein Foto anhängen, auf dem ich aussehe wie ein Idiot, aber ich füge dieser E-Mail zumindest dieses Gefühl bei, diese idiotische Hoffnung, dass wir jetzt auch wieder Freundinnen sein könnten, weil wir etwas gemeinsam haben, was Lene nicht verleugnen kann. Dann drücke ich den Senden-Button und hoffe einfach mal vergebens auf eine Antwort.
»Was ist los?«, fragt Franzi, während wir an einem neuen Entwurf für eine Bikinikampagne basteln. Sie ist gerade dabei, die Brüste des Models aufzupumpen, während ich, so beschissen schwanger in der sechsten Woche, nach zwei Stunden auf meinem Stuhl immer noch keine Position gefunden habe, in der sich der Bund meiner Hose nicht gegen meinen aufgeblähten Bauch drücken würde.
»Wieso?«, frage ich, aber dann fällt mir auf, dass sie sich wundert, weil ich das obligatorische »dicke Schokoeier, aber nicht vom Osterhasen« gerade nicht mit dem obligatorischen Gekicher quittiert habe, was Franzi natürlich verwirren muss. Immerhin gehört die Grundausstattung ihres schwarzen Exfreundes seit drei Jahren zur täglichen Routine.
»Lass uns heute mal eine richtige Mittagspause machen«, sage ich, ohne weiter auf sie einzugehen.
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