Banalverkehr - Roman
werden es allen zeigen, die nicht daran glauben, dass die beiden etwas Besonderes sind. Die Titelblätter warten.
»Ich habe jemanden gefunden, der Songs mit uns produzieren will!« Lene kann singen, Puppe nicht. »Das ist Joe«, stellt Lene ihn Puppe vor. »Fuck me. I can make you famous«, steht auf seinem T-Shirt. Aber Lene und Puppe werden nicht berühmt. Beide nicht. »Vergiss es, der hat uns verarscht.«
Fressanfall:
2 Tafeln Schokolade
2 Croissants
500 g Lasagne
2 Becher Schokopudding mit Sahne
1 Tüte Colorado
2 Schokoküsse
1 Käsebrezel
1 Tiefkühlpizza
1 Liter Cola light.
Viermal kotzen. Jetzt müsste alles raus sein.
Tagebucheintrag:
Ich bin widerlich. Kotzen tut weh. Hals brennt, Finger stinken nach Kotze. Haare auch. Kann nicht damit aufhören. Ich hasse mich.
»Bitte fahr nicht nach Australien. Du wirst mir so sehr fehlen.« – »Du mir auch, Schatzi. Aber es ist ja nicht für lange. Drei Monate, und dann ist alles wieder beim Alten.«
»Nur, weil man sonst immer Sushi isst, heißt das doch nicht, dass man sich nicht ab und zu auch mal einen Krapfen gönnen darf.«
Lene, Lutz, Erbse, Itsy, alle weg.
Lutz hat mich einfach alleine ins Krankenhaus gehen lassen. So was macht man nicht. Er hätte sich aufdrängen müssen.
Itsy … Edo … Itsy …, ich wollte Birdie, aber ich sollte ja den Hamburgerklau gewollt haben. Hat Edo gesagt. Edo … Edo … Itsy … »Sie ist für sich selbst verantwortlich«, sagt Edo. Also müssen wir nicht auf Itsy aufpassen und können beruhigt Ice Age gucken.
Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo. Edo.
Endstation. »Bitte alle aussteigen – Please exit the train on the right-hand side.«
Ich bin an meinem tiefsten Punkt angelangt, ja, und ich glaube, ich habe gerade wieder einen Nervenzusammenbruch. Das kann passieren, wenn man nicht verkraften kann oder darf. Aber das ist jetzt egal, denn ich treffe eine Entscheidung. Ich will nie wieder alleine sein. Ich will nie wieder verlassen werden, aus- oder umgetauscht werden. Ich bin kein Restposten. Also versuche ich krampfhaft mich wachzuhalten, bis Edo ins Bett kommt. Es muss schon weit nach Mitternacht sein. Im Dunkeln taste ich nach seinem Körper und lasse mich auch nicht irritieren, als er protestiert, weil es schon spät ist und er morgen früh raus muss.
Am nächsten Tag fliegt er nach Berlin. Ich bringe ihn nicht zum Flughafen. Er will es nicht, weil er denkt, ich könnte weinen. Ich fahre also direkt zur Arbeit und habe auch vor, dort zu bleiben. Hundert Überstunden sind besser als allein zu Hause rumzusitzen. Ohne Edo. Otto lobt mich, dass ich endlich wieder mehr Einsatz zeige. Gegen zehn fallen meiner Einsatzbereitschaft beinahe die Augen zu, und ich beschließe, doch nach Hause zu gehen.
Als ich am Hauptbahnhof aus der U-Bahn steige, laufe ich Lutz in die Arme.
»Was machst du denn hier?«, frage ich ihn. Immerhin ist es schon zehn, und Lutz und sein Rucksack müssten längst im Bett sein.
»Ich war noch was trinken mit einem Kumpel.« Und seit wann nennt Lutz seinen Rucksack eigentlich Kumpel ?
»Sag mal, stimmt es, dass du jetzt mit Edo zusammen bist?« Ob es zu spät ist, das Gespräch auf seinen Rucksack zu lenken?
Ein Strom von Menschen drängt an uns vorbei, um die nächste Bahn zu erreichen. Wir werden geschubst und müssen ausweichen. Das gibt mir ein bisschen Zeit, bis die Waggontüren mit einem derben »Rumms« zufallen.
»Wie kommst du darauf?«, frage ich und ärgere mich sofort, dass ich die Zeit nicht besser genutzt und mir eine tolle Ausrede überlegt habe.
»Die Picklige aus dem Sekretariat hat euch angeblich auf der Dachterrasse beim Knutschen gesehen.«
»Ach so.«
»Ja, und?«
»Ach so, ja, eine Antwort. Du, Lutz, also …«
Und dann passiert das längst Überfällige: Lutz knallt mir eine. Ich bin überrascht, schockiert, und wenn ich ehrlich bin, auch ein bisschen angetörnt.
»Endlich!«, rutscht es mir raus. Ich reibe mir meine brennende Wange und bedanke mich überschwänglich, bevor ich gehe und ihn allein am Gleis stehenlasse.
Meine Absolution.
Es ist zwei Wochen später, mittlerweile November, als ich morgens vor der Arbeit auf einer U-Bahn-Toilette auf einen Schwangerschaftstest pinkele. Zu Hause konnte ich nicht, doch als ich merkte, wie sich auf dem Weg meine Blase gefüllt hat, habe ich sämtlichen Ekel hinter mir gelassen und zehn Zentimeter über der versifften Klobrille schwebend ein mögliches neues
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