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Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Titel: Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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materiell armes Land, aber spirituell ein sehr reiches.»
    Wenn Jim keine Asanas macht, liest er Siddhartha von Herman Hesse. Ab und zu zitiert er eine Stelle aus dem Buch, ohne die anderen Anwesenden zu fragen, ob sie es hören wollen.
    Boaz stimmt ihm zu. Seitdem er so viel kiffe wie die Sadhus, sei er viel entspannter. Er vertraue jetzt ganz auf die Selbstheilungskräfte seines Körpers, weswegen er auf gar keinen Fall zu einem Arzt gehen werde. Sein Fuß ist noch dicker als vor zwei Tagen.
    Jim macht jetzt den «Pflug». Er liegt auf dem Rücken und hat seine Beine weit über den Kopf nach hinten geklappt. «Ja, die Sadhus! Noch nie habe ich derart spirituelle Menschen getroffen. So spirituell!»
    Alles in Pushkar ist spirituell und voller Energie. Man kann sich der Atmosphäre nicht entziehen. Morgens und abends spiegelt sich das Rot und Rosa und Orange der Sonne auf dem Wasser. Auf der anderen Seite des Sees leuchten die weißen Häuser geradezu mystisch. Eine Gruppe von Pilgern badet im See. Von der Wüste her weht ein warmer Wind übers Wasser. Es riecht nach Blumen, Gewürzen und Mangos. Alles, die eigenen Wünsche, Erwartungen, Ziele und Begierden, wird irgendwie weich. Auch wer keinen Sinn für Esoterik hat, verspürt nach einigen Tagen an diesem Ort eine seltsame Ruhe, die von innen heraus zu tiefer Zufriedenheit führt. Ob man Pushkar wirklich für einen heiligen Ort hält oder nicht, an keinem geht die märchenhafte Stimmung spurlos vorüber. Pushkar saugt den Reisenden auf, drückt ihm einen roten Punkt auf die Stirn und macht ihm zum Instant-Inder.
    Am nächsten Tag treffe ich zwei Sadhus, die am Ufer des Sees sitzen. Sie sind klein und dünn. Sie tragen rote Pluderhosen, um ihre Hälse hängen Ketten mit roten Steinen. Ihr Oberkörper ist nackt. Ihre meterlangen Dreadlocks haben sie zu einem großen Knoten auf dem Kopf zusammengebunden. Einem von beiden fehlen zwei Schneidezähne. Beide schauen sie entrückt auf den See. Neben ihnen kauert ein Inder, der es Backpackern gegen ein geringes Entgelt ermöglicht, mit zwei echten Sadhus zu sprechen. Beide haben ihre Familien im Alter von 12 und 13 Jahren verlassen, sich einer Sadhu-Bruderschaft angeschlossen und ihre Familienangehörigen nie wiedergesehen. Sie wandern seit 30 Jahren durch Indien und betteln. Sie behaupten, nichts zu besitzen als den Inhalt eines kleinen Beutels, den jeder von beiden an einem Lederband bei sich trägt. Darin befinden sich nützliche Dinge wie ein Bindfaden und kleine Wurzelstücke, die angeblich gegen Malaria, rote Augen und Schlangenbisse helfen. Außerdem sind darin viele kleine bunte Steine, die sicher auch für oder gegen etwas gut sind. Als einer der zahlreichen Straßenköter von Pushkar vorbeischaut, geben sie ihm ein Stück von ihrem Brot ab. «Weil wir alle Kinder Gottes sind», sagen sie. Kinder Shivas, des Gottes der Zerstörung, der jedoch nicht böse sei, sondern nur dann zerstöre, wenn man ihn stört.
    Einer der beiden Sadhus nimmt sein Chillum, füllt es mit Gras und Haschisch und zündet es an. Er zieht daran, indem er es zwischen die Knöchel des Zeige- und Mittelfingers klemmt und seine Hände zu einer Schale formt. Eine Rauchsäule steigt in den Himmel. Seine Augen sind jetzt noch röter als zuvor, sein Lächeln verliert an Fröhlichkeit und gleitet ein wenig ins Idiotische ab.
    «Sie tun das wegen ihres Karmas», sagt der Übersetzer in gebrochenem Englisch. «Sie hoffen, in ihrem nächsten Leben eine bessere Person zu werden.»
    Was das sei, eine bessere Person, will ich wissen.
    Die Sadhus lächeln.
    «Bankdirektor oder Anwalt», antworten sie.

[zur Inhaltsübersicht]
    Auf die Länge kommt es an
    Ort: Zug, Indien
    «Spent time in
    1 . Busses: 77 hours
    2 . Trains: 47 hours
    3 . Airports: 39 hours
    4 . Planes: 27 hours»
    Laudi    [15]

    «Koffikoffikoffi», sagt der Inder und wuchtet einen Eimer voll Kaffee durch das auf 20 Grad heruntergekühlte Zugabteil.
    Eine halbe Stunde lang sind nun Wellblechhütten und Müllberge an dem trüben, lange nicht mehr geputzten Fenster vorbeigezogen. Ab und zu sah man Kinder und Frauen in den Müllbergen nach etwas suchen. Dann verließ der Zug die Ausläufer der Stadt. Ich schlief für ein paar Stunden ein.
    Das Bild draußen hat sich verändert: Statt Müll rauschen jetzt dampfende Reisfelder an uns vorbei. Die Zugfahrt von Mumbai nach Goa dauert 14 Stunden – so lange würde man für die Strecke von Frankfurt am Main nach Rom brauchen, wenn man denn so

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