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Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Titel: Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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Angriff. Er beginnt mit einem Wackeln der Wipfel über dem Lotus View. Die Tiere brüllen, der erste Affe klettert von seinem Baum herunter, springt herum, kreischt und fletscht seine Zähne. Er ist etwa halb so groß wie ein ausgewachsener Mensch, grau und verfügt für ein Tier, das man bisher eher unter «possierlich» verbucht hat, über ein imposantes Gebiss. Der Affe wirft einen kleinen Kaffeetisch um und schleudert das Schachbrett über die Terrasse. Drei weitere Affen folgen. Boaz greift nach seiner Krücke und versucht, mit seinem angeschwollenen Fuß Richtung Zimmer zu humpeln. Ein Affe leert eine Zuckerdose aus und versucht, ihren auf dem Boden verstreuten Inhalt aufzulecken. Elaine steht wie versteinert in der Mitte der Plattform und hält ihren fluoreszierenden Ball fest in der Hand.
    Mittlerweile ist ein gutes Dutzend Affen von den Bäumen herabgesprungen. Sie toben herum, greifen nach allem, was greifbar ist, und werfen es durch die Luft – eine Horde Hooligans. Boaz stolpert, fällt hin, versucht sich wiederaufzuraffen. Lakshmi rennt mit einem Besenstiel auf die Terrasse und lässt ihn in weiten Bewegungen um sich kreisen, in der Hoffnung, den einen oder anderen Affen zu erwischen. Ich will meine Tasche näher an mich ziehen, doch am anderen Ende zerrt schon ein Affe.
    Wir sehen uns in die Augen. Wir sind genetisch eng verwandt. Es gibt nur kleine Unterschiede: Er hat ein Fell, ich keines. Ich habe zwei Hände und zwei Füße. Er hat vier Gliedmaßen, die er mal als Hand, mal als Fuß gebrauchen kann. Er kann klettern, ich nicht. Er ist muskulös, ich eher weniger. Mein einziger Vorteil: Mein IQ ist etwa dreimal so hoch wie seiner. Nur nützt mir das in diesem Moment nichts. Mit viel Glück oder einer Waffe habe ich eine kleine Chance gegen ihn und komme mit einem Biss davon, er mit einer Beule. Vielleicht denkt der Affe in diesem Moment etwas Ähnliches, vielleicht erkennt er in mir einen engen Verwandten seiner Art, vielleicht merkt er, dass er dieses Duell zwar gewinnen könnte, aber dafür anschließend von Lakshmi einen Stockhieb verpasst bekäme. Der Kellner nämlich steht ebenso laut brüllend wie die Affen neben mir und schlägt auf die Tiere ein. Der Affe und ich sehen uns noch immer tief in die Augen. Dann lässt er meine Tasche los und haut ab. Und mit ihm die ganze Affenhorde. Innerhalb von Sekunden springt eines der Tiere nach dem anderen aufs Dach zurück und verschwindet von dort aus in den Baumwipfeln. So schnell, wie die Attacke begonnen hat, so rasch ist sie wieder vorbei.
    Lakshmi lässt den Besenstiel sinken. Boaz liegt neben seiner Krücke auf dem kleinen Weg, der zu den Zimmern führt. Elaine steht noch immer in derselben Position da, die sie vor der Attacke eingenommen hatte. Sie sieht aus wie eine griechische Statue. Die Terrasse ist verwüstet: Zwei der Sitzkissen schwimmen im heiligen See, eines hängt an einem Ast, der Rest ist über die Steinplatten verstreut. Pflanzenreste und abgebrochene Äste, die metallenen Zuckerdosen, Aschenbecher, das Schachspiel, Chai-Tassen, Teller, Besteck, zerfetzte Bücher liegen wie nach einer Bombenexplosion herum.
    «Wow», sagt Boaz. «Sieht aus wie nach einem Attentat in Tel Aviv.»
    «Hanuman hat mir im Traum erzählt, dass das passieren würde», sagt Elaine und lässt den Ball wieder über ihre Haut rollen. «Als ich ein Kind war, hatte ich einen Plüschaffen. Heute Nacht habe ich von ihm geträumt. Er hat sich in einen grünen Energieball verwandelt.»
    Lakshmi beginnt grummelnd mit den Aufräumarbeiten.
    «Lakshmi», ruft Elaine. «Das war Hanuman, der Bezwinger der Dämonen. Ich habe seine Kraft ganz deutlich gespürt!»
    «Ja», sagt Lakshmi resigniert. «Ich auch. Lakshmi muss jetzt aufräumen.»
    Am nächsten Morgen liegt Boaz wieder auf einem Sitzkissen und raucht. Die Terrasse sieht wieder genauso aus wie vor der Hanuman-Attacke, nur zwei Zuckerdosen und das Schachbrett fehlen. Ein Amerikaner ist angekommen; er hat die letzten Wochen in einem Ashram verbracht, um Yoga zu lehren. Jim macht gerade einen Kopfstand, als er sich vorstellt. Er sagt, sein ganzes Leben habe sich komplett verändert, seitdem er Yoga gelernt habe.
    «Ich war auf dem falschen Weg», meint er, während er den «Hund» macht. «Ich habe in den USA Zapfanlagen für Bier verkauft, und ich sage dir: Die USA sind ein kaputtes Land. Alles, wirklich alles, dreht sich um Konsum, um materielle Dinge. Das Land hat seine spirituelle Dimension verloren. Indien ist ein

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