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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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Männer mit blitzenden Stimmen Hü und Ho. Zweimal musste das Fuhrwerk wiederkommen, bis das Feld abgeräumt war. In diesen Pausen stand der Nachbar auf dem leerer gewordenen Feld und schaute in die Ferne. Er bewegte sich nicht und sah in dem nebligen Morgenlicht aus wie ein Ding, das irgendwann einmal dort errichtet oder abgestellt worden war, ein Zubehör des ländlichen Lebens dieser Gegend, wie die Brunnen mit den hoch aufragenden Schwengeln, die Steintränken und Blechwannen, die auf den Feldern lagen.
    Ich ging zu Józsi, der in einer Werkstatt hinter einem großen grünen Tor Fahrräder verkaufte. Sobald die erste Kühle einsetzte, trug Józsi eine schwarze Kappe mit Ohrenschützern und Fellfutter, die hatte ihm seine Liebste einst aus Russland mitgebracht, daraufhin nahm er sie zur Frau. Manchmal hörte ich die Frau am Rande des Marktes mit einer anderen Frau leise russisch sprechen, sie hielt den Einkaufskorb mit beiden Händen vor dem Bauch und furchte die Stirn, wenn sie sprach. Józsi hatte einen alten Eisenofen in seiner Werkstatt und arbeitete langsam an kaputten Fahrrädern oder feilte Schlüssel. Unterdessen fanden sich immer Besucher ein, die in der Tiefe der Werkstatt oder an die Theke gelehnt Gespräche führten und Geschäfte abwickelten, die mit Józsi, den Fahrrädern und den Schlüsseln nichts zu tun hatten. Ich kaufte Józsi ein Fahrrad ab und er erzählte mir von früher, als er im Kino Vorführer war.
    Wie der Vorhang surrte, wenn er zur Seite fuhr!, sagte Józsi.
    Jeden Tag gab es Programm, außer mittwochs. Die Kinder saßen in den ersten Reihen und die Verliebten auf dem Balkon. Wer nicht verliebt war, kaufte auch keine Karte für den Balkon, denn allein wollte niemand zwischen den Verliebten sitzen.
    Ich dachte an die Eulen im Kinogarten, die vielen Fliegenleichen auf den Fensterbänken, das wilde Gurren der Tauben, das den Vorführraum jetzt erfüllte, die kleinen Federn, die durch halb offenstehende Luken hereinschwebten, die Aufwerfungen im brüchigen Linoleum, an den Geruch von Maschinenöl, Spuren, die die große Hitze surrender Maschinen in den Poren des Raumes hinterlassen hatte.
    Heute will man nur kleine Bilder sehen, sagte Józsi. Alles soll so sein, dass man es haben kann. Dass man es streicheln und den Besitz unter den Fingern spüren kann.
    Mit den Händen beschrieb er die Gesten, die er sich um die Dinge vorstellte, das Streicheln, das Festhalten, das Haben, dabei stak der Schlüssel, an dem er feilte, zwischen seinen Fingern in die Luft.
    Mit dem Fahrrad fuhr ich über die unebenen Straßen, zwischen den Feldern hindurch. Stoppeln wurden abgebrannt, lange schmale Bahnen Feuer krochen im Dämmer über das Feld, der Rauch ballte sich schwer in der nassen Luft, die Dunkelheit fiel, und im Licht der Flammen zuckten die Schatten der Männer, die das Feuer bewachten und mit Armen und Füßen und sogar heiseren wortlosen Rufen führten, als wäre es ein großes ungelenkes Tier.
    Ich fuhr aus dem Dorf hinaus nach Süden, ließ die letzten Häuser hinter mir und die letzten dunkelwelken Sonnenblumenfelder. In der Ferne stand eine Baumgruppe, fast am Horizont ein Gebäude, grau und flach, unscharfe Bilder, auf die Krümmung der Erde gezeichnet. Quer über das Feld am Weg zogen sich Telegraphenmasten, die sirrten, schwaches Hundegebell schnarrte in der Luft und schien in dieser großen Entlegenheit von allem Bewohnten auch aus den Telegraphenmasten zu dringen. Verlassen leuchtete ein gelbes Tor unter hohen Bäumen, große Vögel stießen sich mit lauten Flügelschlägen aus den Wipfeln. Ein paar Schritte weiter ragte ein Schild aus dem Riedgras: Grenze. Hier war nichts. Niemand lag zwischen Schilf und Gras und wachte über die Wahrung von Hüben und Drüben. Niemand kam, niemand ging, hier war das leere Land.

DAS FRÜHERE LAND
    Das frühere Land war klein geworden. Es lag im Licht des Andenkens, eine Insel in der Ferne. Es war ein Land ohne Grenzen gewesen und dem Grenzland, in dem ich jetzt lebte, fremd. Mein früheres Land war von einem unruhigen Meer umgeben, doch bei aller Unruhe der Wogen, bei aller Unstetheit der Küsten die schwinden und wachsen, abbröckeln und sich ausdehnen, ist dies eine unverbrüchliche Gewissheit im Vergleich zur blassen, in nichts als dem dünnen Papier von Landkarten verankerten Festlandsgrenze, die sich zwischen Grashalmen, Kieseln, Baumschösslingen, Maulwurfshügeln und Pfützen hindurchzieht.
    Das frühere Land ruhte im Ozean, und an dieser

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