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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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Schrottsammler schritten um die Baggerschaufel herum und redeten ihr gut zu, alles sollte sie mitnehmen, bis auf den letzten verwaisten, verworfenen Nagel. Was blieb, war eine rostrot-schwarze Wüste.
    Der Frühling kam, und die untätigen Schrotthändler saßen vor ihrem Haus, die jungen Frauen in der Hocke, sie winkten den Vorüberfahrenden mit ihren Zigaretten. Über die große Straße an ihrer Ecke rumpelten Lieferwagen aus Rumänien. Zu meinen Schrottsammlernachbarn gesellte sich das schrille Mädchen, ein großes Mädchen in bunten Kleidern, ihren Namen hörte ich nie. Das schrille Mädchen hatte keine feste Bleibe, sie stand oft am Straßenrand, schaute mit ungewollter Dreistigkeit jedem in die Augen, dann war ihr Gesicht weiß und groß, ein flacher Mond mit zwei schwarzen Pupillen, sie hatte ein Stöckchen in der Hand und malte Kreise in den Staub am Weg. Doch wenn ein Mann kam, der ihr gefiel, legte sie den Kopf zur Seite, faltete die Hände mit dem Stöckchen auf dem Rücken zusammen, ihre Augen wurden ganz blau, und sie war ein großes Kind, das schön sein will.
    Sie besaß ein kleines Kofferradio, das sie manchmal herumführte, sie schlenderte umher, die Musik spielte laut, bis die Batterie leer war. Sie färbte sich die Haare rot, ging barfuß im Sommer, manchmal machte sie ein Feuer vor einem unbewohnten Haus, spielte mit den Hunden, die ausgerissen waren, bis diese müde und hungrig wieder auf ihren Hof, an ihre Kette, unter ihren Prügelstock zurückkehrten.
    Sie saß ganz still im Frühlingslicht, wie ein kaltblütiges Tier, in dem das Blut erst wieder in Gang geraten muss. Wo hatte sie im Winter gesteckt? Sie hockte auf der Bank vor Olgas Haus, vielleicht hatte sie den Winter unbemerkt im Bett der Verstorbenen geschlafen, das noch in einem Zimmer stehenblieb, weil niemand es kaufen wollte, ein großes schwarzes Bett mit gestreiften verfleckten Matratzen und zerlegenen Kissen, in denen der Dunst von ungezählten Träumen steckte, dort mochte sie all diese Träume eingesogen haben, unter langsamen weit voneinander entfernten Herzschlägen des Winterschlafs.
    Die Sammler mit den schrottschweren Leiterwagen kamen die Straße hinunter, das Mädchen lief neben ihnen her und plauderte, streichelte die maunzenden Katzen, die ihre hungrige Frühlingsbrut im Stich gelassen hatten, saß mit den jungen hockenden Frauen vor dem Schrotthaus und rauchte. Sie war weder fremd noch zugehörig und balgte sich mit den Kindern der Zigeuner, der Ungarn und Serben am Ende der Straße, zwischen den gelben Weidenbüschen am Rand der großen leeren Wiese, wo der rumänische Pope seine Schafherde grasen ließ. Wenn sie mit ihrem Radio spazierte, schaute sie die Männer aus schrägen Augen an, ein Luderblick, der kaum zu ihrem großen Kinderkörper passen wollte, die Männer erröteten. Sie scheute die bekittelten Frauen, die vor den Häusern fegten und unter der Armbeuge Ausschau hielten, wer kam, wer ging.
    Zoran war aus Amerika zurückgekehrt, doch er wusste nichts zu erzählen. Seine Augen flitzten ratlos von Ecke zu Ecke, wenn ich ihn fragte.
    Es war sehr kalt, antwortete er, doch ich habe gutes Geld verdient. Gutes Geld, wiederholte er. Bald hatte er ein senfgelbes Auto, es war klein und lärmend. Zoran saß gerade und aufrecht hinter dem Steuer. Er kurvte langsam durch die Straßen, wie auf der Suche. Wenn er das schrille Mädchen sah, fuhr er fast im Schritttempo, steifnackig starrte er geradeaus, das Mädchen schaute ihm nicht hinterher.
    Die Arbeit auf den Feldern begann. Die Busse kamen wieder, sammelten die Tagelöhner auf, entließen sie am Rand der riesigen dunklen Flächen, wo sie kleine bunte Kriechpunkte wurden. Das schrille Mädchen stand im Schatten einer seit Jahren geschlossenen Kneipe, zwischen bunten Bienenstöcken am Rand der Felder, da konnten die Männer sie sehen, sie legte den Kopf zur Seite, und wenn sie müde war, ging sie in die Hocke, stundenlang konnte sie so ausharren.
    Dort in der Kneipe ging es früher hoch her, sagte Nachbar Todor einmal, da trugen sie ihre Erntegroschen hin, wenn die Arbeit vorbei war, da tanzten sie auf den Tischen, der Akkordeonspieler spielte bis zum Morgengrauen, beileibe nicht nur traurige Lieder erklangen.
    Hinter den Bienenstöcken paarte sich damals, wem das Krauchen in den Furchen und der Schnaps noch nicht die Lust genommen hatte. Dann stellten sie einen Spielautomaten auf, und die Augen glitzerten groß beim scheppernden Scheingeklingel von Münzen und dem

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