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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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gefügige Wunderer, Staffage einer schönen kleinen Welt in blassem Glanz. Die Brücke lag leer unter einem von Wolkenfetzen umwehten Mond, wie er gestern geschienen hatte, der Auwald nachkoloriert in einem schwülen, unnächtigen Grün.
    Im Café am Stadtpark thronten die Männer in großen gemusterten Sesseln und lasen Zeitung, das Ungarische Wort und serbische Sportblätter, tranken mit hochroten Wangen Kaffee und Bier und redeten viel, während die Frauen einkauften. Später kamen die Frauen und führten artige Kinder auf die Empore des Cafes, wo sie hoch über den Männern auf kleinen Stühlen an kleinen Tischen Eis und Limonade bestellten. Auf der Bank am Springbrunnen saßen zwei Frauen, sie sprachen und lachten und ließen die Hände in großen Gesten durch die Luft fahren, der Springbrunnen sprudelte gehorsam, von keinem Wind bedrängt.
    Ich fuhr über die Tisa aus Senta hinaus, kreuz und quer durch das gelbundgrüne Land unter dem grauen Himmel. Irgendwo zwischen Tisa, Maros und Zlatica hielt ich an einem Friedhof. Graue und weiße Grabsteine mit Kreuzen für Tote, die Degenhardt, Lakatos, Mudrič hießen, Frauen in dunklen Kopftüchern und schnauzbärtige Männer auf ovalen emaillierten Fotografien, so hatten sie einst vor einem Fotografen gestanden und mit dem Gedanken in die Kamera geblickt, dass dies das Bild auf ihrem Grabstein sein würde, ihr Gruß aus der Ewigkeit an die Zeit. In einem Winkel nahe der Straße ragte ein dunkelgrauer, zu einer eckigen Säule gemeißelter Grabstein schräg aus Heckenrosengestrüpp, ›Deutsch Ferenc‹ stand darauf, hinter dem Gebüsch zwei ebensolche Grabsteine für die Deutschkinder, die nur ein paar Monate alt geworden waren.
    Am Eingang des Friedhofs stand ein bärtiger Mann in der Tür des Wärterhauses. Hinter ihm lag ein Sarg bereit, mit einem weißen Tuch bedeckt, aufgebockt , dachte ich und blickte mich nach dem ausgehobenen Grab um. Der bärtige Friedhofswärter wollte gerne etwas erzählen. Er blinzelte in das weiße Nachmittagslicht.
    Das ist die Cholerawiese, erklärte er und zeigte mit dem Finger auf ein freies Stück Gelände, wo das gemähte Gras in Wülsten lag. Dort lässt man die Gebeine in Ewigkeit ruhen.

STADT
    In der Stadt spiegelte sich der Himmel in dem trüben Fluss, der unter den Brücken davonrann. Stadtbesucher standen auf den Brücken und starrten und spuckten in den Fluss. Dieses Starren und Spucken in das spiegelbildlose Wasser war eine Erscheinung jeden Sommers, wenn die Besucher müde wurden und sich in ihren Hoffnungen auf die besuchte Stadt getrogen sahen. Wir alle kommen von irgendwoher und wir alle gehen weiter irgendwohin, weil wir Menschen sind , schrieb einmal ein kluger Dichter, und die Brückengucker verharrten dort in einer kleinen Pause ihres Lebens, in der sie diesem Gedanken nachhängen mochten.
    Ich stand am liebsten am Fenster, atmete die Stadt ein, beobachtete diesen kleinen Streifen Leben vor mir, den welkenden Sommerflieder, leidenschaftliche Abschiedsszenen zwischen Liebespaaren am gegenüberliegenden Haustor, die fremd gewordenen wässrigen Farben des Himmels Westeuropas, ahnte das Palavern großer Männergruppen in den Straßencafés, das Klacken spitzhackiger Frauenschuhe, den klebrigen Geruch der überreifen Melonen, der sich mit salzig-muffigem Fischdunst vermischte und in Schwaden um den Eingang der kleinen Markthalle lag.
    Selten ging ich aus, kaufte Kleinigkeiten, stolperte über die Besen der unwirschen Afrikanerinnen, die gegen Ladenschluss aufräumten und sich in Gedanken an ihre heimatliche Prinzessinnenschaft gestört fühlen mochten. Eines Abends zog ein Gewitter auf. Es donnerte, warmer Wind jagte in Stößen durch die Straßen. Regen fiel, dicht, heftig, ein großes Rauschen, das alles andere übertönte. Ich fand Zuflucht in einem Café, sah auf das Wasser, das die Straße hinuntersprudelte, Kartons und anderen Abfall davontrug. Ein losgelassener, losgerissener Regenschirm trudelte auf dem Gossenwasser. Der Caféwirt spülte Gläser, ein Afrikaner füllte an einem kleinen Pult einen Lottoschein aus. Die Zuflüchtigen verzehrten nichts. Sie standen mit regennassen Haaren und tropfenden Kleidern an den Fenstern zur Straße und schauten hinaus, wo der Regen hing wie Tücher, die hin- und herwehten. Männer und Frauen, die zu lang an ihren Zigaretten zogen, die Glut leuchtete vor ihren Mündern, sie hatten nichts zu sagen und nichts zu lachen, eine Zeitlang waren wir alle Einsame in der Obhut dieses

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