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Band 2 - Blutspiel

Band 2 - Blutspiel

Titel: Band 2 - Blutspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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gar nicht mehr wahrnehmen, und die Mauern erschienen nur noch sehr verschwommen, wie verblasste Kreidestriche, eine reine Erinnerung. Dahinter sah ich eine fremdartige Landschaft.
    Wo sonst die Skyline von Cincinnati aufragte, erstreckte sich nun eine Art Park, der von einem roten Leuchten erhel t und das von den tief hängenden Wolken reflektiert zu werden schien. Hinter einer Reihe verkrüppelter Bäume zeichnete sich in der Ferne eine Stadt ab. Es war al gemein bekannt, dass die Dämonen ihre eigene Stadt hatten, über denselben Kraftlinien errichtet wie Cincinnati. Die Pflanzen schienen ebenfal s rot zu glühen, und obwohl die Blätter der Linde vor dem Küchenfenster regungslos blieben, wurden die Zweige der verkrüppelten Jenseitsbäume von dem Wind erfasst, der auch durch mein Haar fuhr. Es gab Hexen, die regelrecht scharf waren auf die Widersprüche zwischen der Realität und dem Jenseits, aber für mich war es einfach nur verdammt unangenehm. Eines Tages sol te ich viel eicht mal auf den Carew Tower steigen und mir mit dem zweiten Gesicht die leuchtende, verfal ene Dämonenstadt anschauen.
    Al ein bei dem Gedanken zog sich mein Magen zusammen.
    Aber sicher doch, ganz bestimmt.
    Mein Blick wurde von den Grabsteinen auf dem Friedhof angezogen, die sich hel und klar vor dem düsteren Hintergrund abzeichneten. Der Mond und die Steine waren das Einzige, was nicht von dem roten Glühen erfasst wurde und in beiden Welten unverändert existierte. Ich unterdrückte ein Schaudern. Die Kraftlinie führte wie ein schmieriges rotes Band in nördlicher Richtung über die Grabsteine hinweg, ungefähr auf Augenhöhe. Sie war zwar klein, viel eicht zwanzig Meter lang, aber durch den seltenen Gebrauch energiereicher als die riesige Linie, die unter der Universität verlief.
    Als mir bewusst wurde, dass Nick wahrscheinlich ebenfal s das zweite Gesicht einsetzte und mich beobachtete, lenkte ich meinen Wil en auf das Energieband. Mein Körper geriet ins Wanken, und ich zwang mich, die Augen geschlossen zu halten, während ich den Griff um die Arbeitsplatte verstärkte.
    Mein Herz machte einen Sprung, und meine Atmung beschleunigte sich. »Mist«, flüsterte ich. Die einströmende Kraft schien stärker zu sein als beim letzten Mal.
    Ich stand regungslos da, während die Energie durch meinen Körper floss und versuchte, unsere Kräfte auszugleichen. Meine Fingerspitzen kribbelten, und die Zehen schmerzten, als sie in die geistigen Äquivalente meiner Extremitäten eindrang. Schließlich fand der Ausgleich statt, und ein geringer Überschuss verließ meinen Körper und schwebte zur Kraftlinie zurück. Es fühlte sich an, als wäre ich Teil eines Kreislaufs, wobei der Durchfluss der Kraftlinie in meinem Körper ein schleimiges Gefühl hinterließ.
    Die Verbindung zur Linie war berauschend, und ich öffnete die Augen, unfähig sie auch nur eine Sekunde länger geschlossen zu halten. Die silbernen Linien verschwanden und wurden durch meine unordentliche Küche ersetzt. Völ ig desorientiert versuchte ich das Bild des Jenseits mit dem Bild der Realität in Einklang zu bringen, sodass ich sie gleichzeitig wahrnehmen konnte. Obwohl ich Nick mit dem zweiten Gesicht nicht hatte wahrnehmen können, warf die andere Ebene ihre Schatten auf ihn. Bei manchen Leuten machten sich dadurch keine Unterschiede bemerkbar, aber ich war mir sicher, dass Nick nicht zu dieser Gruppe gehörte. Als sich unsere Blicke trafen, war ich entsetzt.
    Seine Aura war von einem schwarzen Rand umgeben. Das musste nicht unbedingt schlimm sein, deutete aber in eine unangenehme Richtung. Sein schmaler Körper wirkte nun hager und ausgemergelt, und seine Gesichtszüge, die ihm sonst die Ausstrahlung eines zerstreuten Professors verliehen, hatten jetzt etwas Bedrohliches an sich. Aber am beunruhigendsten war der kreisförmige schwarze Schatten an seiner linken Schläfe. Dort hatte der Dämon, vor dem er mich gerettet hatte, sein Mal hinterlassen, ein ins Fleisch gebrannter Schuldschein, den Nick eines Tages würde einlösen müssen. Hastig schaute ich auf mein Handgelenk.
    Auf der Haut zeigte sich nur das Narbengewebe in Form eines Kreises mit einer hindurchlaufenden Linie. Viel eicht konnte Nick mehr erkennen? Ich hielt den Arm hoch und fragte ihn: »Glüht es schwarz?«
    Er nickte ernst, wobei sich sein Aussehen etwas normalisierte, da die Realität das zweite Gesicht langsam verdrängte.
    »Es ist das Dämonenmal, nicht wahr?«, fragte ich und strich mit den Fingern

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