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Band 2 - Blutspiel

Band 2 - Blutspiel

Titel: Band 2 - Blutspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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kühler. Das Geräusch des Staubsaugers drang leise zu uns herüber, und das ständige Ein- und Ausschalten zerrte an meine Nerven. Dann verstummte er ganz, aber niemand schien es zu bemerken.
    Immer wieder glitt mein Blick zu den oberen Apartments, und ich zog die Jacke enger um den Körper. Gerade eben war Glenn heruntergekommen, aber sofort im Wagen der Spurensicherung verschwunden. Ich gab mir einen Ruck und schlenderte unauffäl ig Richtung Treppe.
    Sofort saß Jenks auf meiner Schulter, was in mir den Verdacht weckte, dass er mich genau beobachtet hatte.
    »Rachel«, warnte er, »geh da nicht rein!«
    »Ich muss es sehen.« Ein Gefühl von Unwirklichkeit hatte mich ergriffen und ließ mich die Wärme des rauen Geländers unter meiner Hand überdeutlich wahrnehmen.
    »Nein«, protestierte er und summte erbost mit den Flügeln. »Glenn hat recht. Warte, bis du an der Reihe bist.«
    Ich schüttelte den Kopf und wischte ihn so mit dem Zopf von meiner Schulter. Ich musste es sehen, bevor das Grauen durch Klarsichttütchen, sauber beschriftete Registerkarten und sorgfältige Datenkolonnen gemindert wurde, die dem Wahnsinn Struktur verleihen sol ten, damit er begreifbar wurde. »Geh mir aus dem Weg«, sagte ich ausdruckslos und schlug nach ihm, als er angriffslustig direkt vor meinem Gesicht auf- und abschwebte. Er wich zurück, und ich blieb ruckartig stehen, als meine Fingerspitze seinen Flügel streifte. Hatte ich ihn gerade tatsächlich geschlagen?
    »Hey!« In seinem Aufschrei lagen Überraschung, Angst und schließlich Wut. »Fein«, zischte er. »Geh rein, sieh es dir an. Ich bin doch nicht dein Kindermädchen.«
    Fluchend schwirrte er ab, verfolgt von irritierten Blicken, da er eine wahre Schimpfkanonade von sich gab.
    Meine Beine waren schwer wie Blei, als ich mich die Treppe hochquälte. Hastige Schritte ließen mich aufblicken, und einer der Staubsaugertypen eilte an mir vorbei. Er brachte den Gestank von verwesendem Fleisch mit sich, und ich spürte, wie mir die Gal e hochkam. Ich schluckte sie runter, ging weiter und lächelte den Wachhabenden neben der Tür gequält an. Hier oben war der Geruch noch viel intensiver.
    Ich musste an die Bilder denken, die ich in Glenns Büro gesehen hatte, und hätte mich fast übergeben. Dr. Anders war doch erst seit wenigen Stunden tot, wie konnte die Verwesung so schnel eingesetzt haben?
    »Name?«, fragte mich der Mann mit starrer Miene, in dem Versuch, trotz des süßlichen Gestanks möglichst professionel zu wirken.
    Ich sah ihn regungslos an und bemerkte dabei seinen Notizblock. Er enthielt eine detail ierte Namensliste, der letzte war mit dem Zusatz »Fotograf« versehen. Außer uns befand sich nur noch ein Mann auf dem Gang, er ließ gerade seinen Koffer zuschnappen und schleifte ihn dann polternd die Treppe hinunter. Neben der Tür stand eine Videokamera, deren technischer Standard irgendwo zwischen Fernsehteam und Hobbyfilmer lag. Mein Dad hatte eine ähnliche gehabt, mit der er immer die Geburtstagsfeiern von mir und meinem Bruder aufnahm. »Äh, ja, Rachel Morgan«, antwortete ich leise. »Beraterin in Inderlanderangelegenheiten.«
    »Ach ja, Sie sind doch die Hexe, richtig?« Er trug meinen Namen zusammen mit der Uhrzeit und der Nummer meiner Besuchermarke in die Liste ein. »Brauchen Sie Maske, Überzieher und Handschuhe?«
    »Ja, vielen Dank.«
    Mit zitternden Fingern zog ich mir die Maske übers Gesicht. Sie roch nach Tannennadeln und hielt so den Verwesungsgestank ab. Erleichtert warf ich einen ersten Blick auf den polierten Holzfußboden, der von den letzten Sonnenstrahlen erhel t wurde. Aus einer Ecke, die ich nicht einsehen konnte, kam das metal ische Klicken einer Kamera.
    »Ich werde ihn doch nicht stören, oder?«, fragte ich dumpf unter dem Mundschutz.
    Der Wachposten schüttelte den Kopf. »Sie«, korrigierte er mich. »Und nein, Gwen stört das nicht. Passen Sie bloß auf, sonst müssen Sie noch ihr Maßband halten.«
    Ich bedankte mich noch einmal bei ihm, fest entschlossen, nicht dergleichen zu tun.
    Während ich meine Schuhe mit Überziehern versah, beobachtete ich den Parkplatz. Je länger ich mich hier aufhielt, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass Glenn mir auf die Schliche kam. Entschlossen presste ich die Maske gegen das Gesicht, und der künstliche Duft wurde so intensiv, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Aber die Alternative war wesentlich schlimmer. Ich steckte meine mit Chirurgenhandschuhen versehenen Hände tief in

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