Band 6 - Blutnacht
herausfinden konnte, war ungewöhnlich. Normalerweise war ihr Ermittlungstalent ungefähr so groß wie meine Fähigkeit, mich in Schwierigkeiten zu bringen. Seit dem »Sam-Vorfal « hatten wir uns darauf geeinigt, dass sie unsere Suche vorantrieb.
Ich wurde bei dem Mangel an Erfolg langsam ungeduldig, aber es war einfach nicht klug, dass ich einen Vampir nach dem anderen gegen Mauern warf, um etwas herauszubekommen. Was es noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass die Antwort irgendwo in meinem Unterbewussten begraben lag. Viel eicht hätte ich mit dem FIB-Psychiater reden sol en, um zu sehen, ob er etwas ans Licht bringen konnte? Aber Ford war mir irgendwie unheimlich. Er konnte Emotionen schnel er fühlen, als Ivy sie riechen konnte. Unbehaglich ließ ich meine Augen über die Einrichtung des Ladens gleiten. Hinter meiner Mutter hing eines von diesen dämlichen Bildern mit Babys, die als Frucht oder Blume oder irgendwas verkleidet sind. Mein Mund öffnete sich leicht und ich starrte erst Jenks an, dann den Tresen, wo der Junge in den späten Teenagerjahren die Kunden mit professionel em Schliff abfertigte.
Das war es!, dachte ich mit einem Gefühl des Wiedererkennens. Das war dasselbe Cafe, in dem Ivy, Jenks und ich beschlossen hatten, die LS. zu verlassen und als freiberufliche Runner zu arbeiten! Aber Junior wirkte jetzt, als wüsste er inzwischen, was er tat, hatte einen »Manager«-
Anstecker an seiner rot-weiß gestreiften Schürze und hatte mehrere Helfer unter sich, die sich mit den weniger angenehmen Teilen des Geschäfts herumschlagen durften.
»Hey, Rache«, sagte Jenks und ließ sich fal en, um meinen Pul over mit goldenem Staub zu überziehen. »Ist das nicht der Laden, wo wir. .«
»Jau«, unterbrach ich ihn, weil ich nicht wol te, dass Minias mehr über mein Leben erfuhr, als unbedingt nötig war. Der Dämon entfaltete gerade eine Papierserviette und drapierte sie so sorgfältig auf seinen Knien, als wäre sie aus Seide.
Unruhe erfül te mich, als ich an die Nacht zurückdachte, in der ich beschlossen hatte, die I.S. zu verlassen. Völ ig ahnungslos mit einem Vampir in einen freien
Kopfgeldjäger/Begleitservice/Feld-Wald-Wiesen-Zauber-Runnerservice einzusteigen war einerseits das Dämlichste und andererseits das Beste, was ich je getan hatte. Ich hatte mich inzwischen der Meinung von Jenks und Ivy angeschlossen, dass ich mein gesamtes Leben darauf ausgerichtet hatte, immer am Rand des Abgrunds zu balancieren, um den Kitzel des Adrenalins zu spüren.
Viel eicht hatte ich das einmal getan, aber nun nicht länger. Dass ich geglaubt hatte, mit einer meiner Nummern sowohl Ivy als auch Jenks getötet zu haben, hatte mich hundertprozentig geheilt, und Kistens Tod hatte mir die Lektion nochmal eingebläut, und zwar schmerzhaft. Und um das zu beweisen, würde ich nicht mit Minias zusammenarbeiten, egal, was er mir anbot.
Ich würde die Vergangenheit nicht wiederholen. Ich konnte meine Verhaltensmuster ändern. Ich würde sie ändern. Hier angefangen. Schaut zu.
»Kaffee fertig!«, rief der Junge, und Minias hob seine Serviette vom Schoß, als wol e er aufstehen.
»Ich hole ihn«, sagte ich, weil ich seine Interaktion mit anderen so weit wie möglich beschränken wol te.
Minias ließ sich ohne Theater wieder in seinen Stuhl sinken. Ich wol te schon aufstehen, nur um dann mit einem Stirnrunzeln innezuhalten. Ich wol te ihn auch nicht mit meiner Mutter al ein lassen.
»Oh, um Himmels wil en«, sagte meine Mutter, stand auf und ließ ihre Tasche auf den Tisch fal en. »Ich hole ihn.«
Minias berührte ihren Arm und ich verspannte mich.
»Wenn du so nett wärst, Alice, den Zimt mitzubringen?«, fragte er. Meine Mutter nickte und löste nur langsam den Körperkontakt. Als sie davonging, hielt sie sich den Arm, und ich lehnte mich zu Minias.
»Fass meine Mutter nicht an«, drohte ich und fühlte mich besser, als Jenks auf dem Tisch eine herausfordernde Haltung annahm und aggressiv seine Flügel klappern ließ.
»Jemand muss sie berühren«, antwortete Minias trocken.
»In den letzten zwölf Jahren hat es niemand getan.«
»Sie muss bestimmt nicht von dir berührt werden.« Ich lehnte mich mit verschränkten Armen zurück. Mein Blick wanderte zu meiner Mutter, die in der Art älterer Damen mit dem Tresenjungen flirtete, und zögerte kurz. Sie hatte nicht wieder geheiratet, nachdem Dad gestorben war. Sie hatte nicht mal Verabredungen gehabt. Ich wusste, dass sie sich absichtlich so anzog, dass
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