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Banditenliebe

Banditenliebe

Titel: Banditenliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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unerträglich, nichts zu tun, während meine Freunde in Belgrad tätig waren.
    Ich erwartete ihn an der Bar. Er betrachtete mich finster. In jenen Tagen gab es tatsächlich niemanden, der mir mit ein wenig Sympathie begegnet wäre. Ich begrüßte ihn laut mit Namen und Dienstgrad.
    Er kam mit kriegerischem Gesichtsausdruck zu mir. »Jetzt rufe ich ein paar Kollegen, die treiben dir die Lust aus, mir auf die Nerven zu gehen.«
    Er hatte diese Manie zu drohen, also musste ich ihn daran erinnern, dass es weder freundlich noch legal ist, Fremde in Hotels zu erpressen.
    Er lachte nur kurz. »Ich bin aus dem Spiel raus, das interessiert keinen Menschen mehr.«
    »Aber das Geld hast du irgendwo investiert, und einen Richter, der dir nichts schuldig ist, finde ich mit Sicherheit.«
    Da hatte ich den richtigen Punkt getroffen. »Was willst du?«, fragte er.
    »Von alten Zeiten reden.«
    »Ich weiß nichts von diesem Drogenraub.«
    »Mich interessieren auch Gerüchte.«
    Er deutete auf die Kasse. »Du zahlst. Ich warte draußen.«
    Niemand hatte begriffen, warum 2004 so eine große Menge Drogen in der Rechtsmedizin aufbewahrt wurde: miserable Organisation oder bewusste Entscheidung, um das Verschwinden zu ermöglichen? Sicher war nur, dass jemand sich hervorragend auskannte und die Situation nutzte, um alles wegzuschaffen.
    Doch das wusste ich schon. Nicht wusste ich hingegen, dass im Polizeipräsidium die Meinung herrschte, kein Gramm dieser über fünfzig Kilo sei in Italien wieder in den Handel gelangt. Bei den Drogenfahndern war man der Ansicht, der gesamte Stoff sei noch vor Entdeckung des Raubs außer Landes geschafft worden.
    Ich berichtete ihm von den beiden Bullen im Winkel. Das fand der Ex-Kommissar seltsam. Er bezweifelte, dass es Mitarbeiter der normalen Polizei waren, und schätzte, dass das eine Aktion der oberen Etagen war, zu der sie sich ortsfremden Personals bedient hatten.
    »Und jetzt verschwinde und lass mich in Ruhe meine Pension genießen.«
    Während ich nach Hause fuhr, kam ein Anruf von Max. Nichts Neues. Sie luden halb Belgrad zu Drinks ein, um Kontakt zur Polizei zu bekommen.
    Samstagabend im Winkel. Ein gar nicht so übles Jazzquartett, aber ich hörte kaum zu. Eine Frau erkundigte sich nach Max. Hübsch, aber nicht besonders umgänglich. Es musste diejenige sein, die der Dicke am Abend vor Sylvies Verschwinden zum Essen hatte einladen wollen. Ich erfand eine rührselige Geschichte um eine bedürftige Tante.
    Sie fiel nicht darauf herein, sondern bedachte mich mit einem sardonischen Lächeln. »Und der Gebrauch des Telefons ist ihm ganz und gar unbekannt?«
    »Ja, er ist wirklich nicht besonders geschickt«, gestand ich ein.
    »Auf jeden Fall ganz schön schwerfällig.«
    »Es sind aber keine anderen Frauen im Spiel«, erklärte ich. »An deiner Stelle würde ich ihm noch eine Chance geben.«
    »Dann sollte er sich ranhalten. Ich werde von Angeboten nur so belagert.«
    Sie konnte nicht ernst bleiben und brach in ein herzliches Lachen aus.
    »Marco«, stellte ich mich vor und reichte ihr die Hand.
    »Teresa.«
    Ich lud sie ein, und wir unterhielten uns bis kurz vor Lokal-
schluss.
    Am nächsten Morgen, einem Sonntag, stand ich auf und ging ins Zentrum, um Zeitungen zu kaufen und einen langen Spaziergang zu machen. Alles war voller Leute, die in den Geschäften ein- und ausgingen. Weihnachten war nicht mehr fern. An der Piazza Duomo machte ich halt und trank einen Aperitif. Ich kaufte eine Tüte heiße Maronen und ging wieder nach Hause, um zu schlafen.
    Der Dicke weckte mich am Nachmittag. »Vielleicht haben wir’s«, verkündete er euphorisch. »Wir kommen morgen nach Hause.«
    »Was kannst du mir erzählen?«
    »Abwarten, wir haben heute noch eine Einladung zum Abendessen.«
    Am Mittwoch darauf fanden wir uns um einen Tisch in einem bekannten Restaurant in Mira in der Provinz Venedig zusammen. Wir waren zu sechst. Wir drei, eine Größe der serbischen Unterwelt und seine beiden Bodyguards. Der Serbe hieß Pavle Stojkovi ć und war der Verantwortliche für Nordostitalien einer der wenigen Organisationen, die nicht von der Belgrader Mafia geschluckt worden waren. Wie viele organisierte Kriminelle aus Osteuropa war er bis zum Zusammenbruch des Regimes Mitglied der Sicherheitskräfte gewesen. Dann war er auf die andere Seite übergelaufen.
    Ein gebildeter Mann von rund fünfundfünfzig Jahren, liebenswürdig, schlicht gekleidet; er hatte sich dank der Vermittlung eines renommierten Schmugglers, der

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