Banditenliebe
Namen aller italienischen Polizisten geschwärzt. Laut der biographischen Angaben war er im Mai 1950 in Kladovo, Ostserbien, geboren worden. ’72 hatte er in Belgrad Ivana geheiratet, im Jahr darauf erblickte Bratislav und 1980 Sonja, die Zweitgeborene, das Licht der Welt. Zu der Zeit war Pavle bereits Funktionär der UDBA , des jugoslawischen Geheimdienstes. Als dieser sich wegen des Bürgerkrieges auflöste, wechselte er auf den Sessel eines nicht näher bezeichneten Büros im serbischen Verteidigungsministerium.
Mitte der Neunziger war er Berater eines Mafia-Clans der Hauptstadt geworden, der dann einen Konflikt mit dem Clan Ž eljko Ra ž natovi ć s begann, besser bekannt als Arkan, der »Tiger vom Balkan«, und dabei aufgerieben wurde. Pavle, der das Massaker der Bosse und die Zerstreuung der Truppen wundersam überlebt und sich irgendwo versteckt hatte, tauchte im Frühjahr 2000 in Italien wieder auf, wenige Monate nachdem Arkan in der Halle des Hotel Intercontinental in Belgrad erschossen worden war.
Er hatte im Eilverfahren die Aufenthaltsgenehmigung in Italien erhalten, auf Empfehlung eines Beamten im Außenministeriums, dessen Name von einer dicken Schicht schwarzer Tusche verdeckt war; vielleicht im Gegenzug für die Informationen, die er dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gegeben hatte, damit dieser Slobodan Milo š evi ć festnageln und wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit anklagen konnte.
2001, sofort nach Verhaftung seines Ex-Präsidenten, hatte Stojkovi ć die Balkan Market mit Sitz in Treviso gegründet, die übliche Import-Export-Firma mit nur zwei Angestellten: Bo ž idar Dini ć und Vladan Ninkovi ć .
»Die Katzenjammer-Kids«, witzelte ich. »Zahlt das Arschloch seinen Gorillas sogar die Sozialbeiträge.«
Max deutete auf ein anderes Blatt. »Eine Notiz des Polizeipräsidiums von Treviso. Von wegen, unser Pavle sei ein braver Junge und man solle ihm nicht auf den Zeiger gehen.«
Ich zerdrückte die Kippe im Aschenbecher. »Soll heißen, er ist mehr als ein Gangster und der gegenseitige Erweis von Gefälligkeiten läuft weiter.«
»Und warum verraten sie ihn uns jetzt?«, fragte Rossini.
»Schwierig«, antwortete der Dicke. »Vielleicht ist er als Informant nicht mehr so nützlich wie zuvor, oder die Bullen von Padua scheren sich nicht um die Absprachen ihrer Kollegen …«
Ich hätte Lust gehabt, etwas zu trinken, schaute aber auf die Uhrzeit und hielt durch. »Jetzt wissen wir alles Mögliche über unseren Pavle. Aber Anhaltspunkte für eine konkrete Strategie sind nicht dabei.«
»Stimmt, wir haben keinerlei Idee«, pflichtete mir der Dicke bei. »Entweder greifen wir frontal an und schauen, wie weit wir kommen, oder wir warten, bis wir mehr wissen.«
Rossini ließ seine Armbänder klingeln. »Je mehr Zeit vergeht, desto sichtbarer werden wir. Und irgendwann greifen sie uns zuerst an.«
»Also, was wird der nächste Schritt?«
Der Dicke überlegte einen Zug aus der Zigarette lang, dann sah er mich an. »Den machst du. Du unterhältst dich ein bisschen mit Arben Alshabani, wir halten dir den Rücken frei.«
Um Punkt zehn Uhr vormittags machte ich die Tür zur Kneipe auf und wurde von einer Welle aus Hitze und Zigarettengestank getroffen. In diesem Lokal, offiziell im Besitz zweier marokkanischer Schwestern, wurden die Nichtrauchergesetze nicht beachtet – wer Krebs riskieren wollte, sollte das eben tun, ist doch nicht so schlimm. Ich blickte mich um. An den Tischen waren sämtliche Facetten der Kleinkriminalität vertreten.
Die beiden Schwestern standen hinterm Tresen und unterhielten sich mit einigen Gästen, die mit Bier und Sandwiches beschäftigt waren. Wie im Drehbuch vorgesehen, widmete mir niemand einen Blick. Ich setzte mich an den einzigen freien Tisch, dank seiner besonderen Position offenbar der Stammtisch von Alshabani, von dem aber nichts zu sehen war. Um nicht vor Hitze zu platzen, zog ich mir den Mantel aus und machte es mir bequem. Nach ein paar Minuten kam die jüngere der beiden Kellnerinnen und fragte, was ich wolle. Ich bestellte einen Kaffee.
Ich wusste, dass Arben sich hinten befand und mich beobachtete, bereit, durch die Hintertür zu verschwinden, falls ich mich verdächtig verhalten sollte. Ich holte eine Zeitung hervor und begann zu lesen, mit vorgetäuschtem Interesse für den internen Zwist der Mitte-rechts-Opposition, die sich nicht auf einen Bürgermeisterkandidaten einigen konnte.
In Wirklichkeit wollte ich nur entspannt
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