Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Hocker vor einen neongrünen Zelt saß. Sie stand auf, als er auf sie zukam. Die Frau trug einen langen, weiten roten Rock, einen weißen Pullover und einen lila Schal um den Hals. Sie begrüßte Orpheus wie einen alten Freund mit einem Armtätscheln und einem Lächeln.
Die beiden unterhielten sich einige Minuten lang, dann wies Orpheus in ihre Richtung, und die Frau sah zu ihnen hinüber. Langes, schneeweißes Haar wellte sich über ihren Schultern, und ihre gerunzelte Stirn verriet, dass sie nicht begeistert war.
Als sie näher zu ihnen gingen, fixierte die Hexe Callia. »Die Töchter des Königs kenne ich, aber die nicht.«
»Ich …«
»Sie ist die Heilerin des Königs«, fiel Isadora ihr ins Wort.
»Mehr als eine Heilerin«, sagte die Hexe und trat auf Callia zu. »Warum wünschst du ins Menschenreich zu gehen? Dort lauert Gefahr, wie du wohl weißt. Du selbst hast sie erlebt. Suchst du etwas von Wert? Ist persönlicher Gewinn dein Streben? Macht? Seid ihr drei deshalb heute hergekommen?« Sie musterte die drei Frauen. »Erwartet ihr, dass ich euch zu diesem Ziel verhelfe? Was ihr nicht versteht, kann nicht …«
Isadora wurde ärgerlich. »Sie will gar nicht …«
»Ich kann für mich selbst sprechen«, sagte Callia mit einem warnenden Seitenblick zu Isadora. »Ja, ich suche etwas von Wert. Meinen Sohn. Er wurde mir genommen, und ich muss ins Menschenreich, um ihn zu finden. Diese zwei«, sie nickte zu Isadora und Casey, »boten mir ihre Hilfe an. Aber falls das für dich kein überzeugender Grund ist, sei es drum.« Sie sah zu Orpheus. »Du hast gesagt, dass es mehrere geheime Portale gibt, stimmt’s?«
»Ähm, ja«, antwortete Orpheus.
»Prima. Dann bring mich zum nächsten.«
Orpheus schwieg kurz, dann redete er mit der Hexe in einer Sprache, die Isadora nicht verstand. Es handelte sich eindeutig nicht um Altargoleanisch.
Während sie zuhörte, sah die Hexe die drei Frauen an, und etwas an ihrer Miene veränderte sich. Schließlich antwortete sie Orpheus, doch bevor Isadora fragen konnte, was vor sich ging, trat die Hexe vor und hielt ihre Hände in die Höhe.
»Ich binde euch, ihr Stunden, euch oder anderen kein Leid zuzufügen.« Dann schloss sie die Augen und stimmte einen Singsang an. »Himmlische Göttin, bring mir die Kraft, die mit jeder verrinnenden Stunde wächst. Gib mir die Herrschaft zurück. Es geschehe, was ich will.« Sie öffnete die Augen wieder und nahm die Hände herunter. »Ihr könnt hindurchgehen. Isis!«, rief sie hinter sich.
Eine Frau mit roter Stachelfrisur, in Leggings, einer Army-Jacke und Wanderstiefeln, steckte ihren Kopf aus dem Zelt hinter der Hexe. »Ja?«
»Diese drei müssen sicher durchs Portal. Bring sie rüber.«
Isis krabbelte aus dem Zelt und beäugte die drei Frauen. »Sicher?«
»Isis!«
»Ja, ja«, stöhnte Isis und winkte ihnen. »Dann beeilt euch. Diese Dinge warten auf keine, und ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, klar?«
Casey und Callia tauschten verwunderte Blicke, gehorchten aber der zweiten Hexe. Die erste wandte sich um und folgte ihnen. Als Orpheus ihnen hinterherwollte, hielt Isadora ihn zurück. »Was war das eben?«
»Was denn, Isa? Sprichst du kein Medeanisch?«
»Treib keine Spielchen mit mir, Orpheus. Sie nannte uns die Stunden. Ich hatte recht mit den Horen, oder? Und was sollte dieser Binde-Kram?«
Orpheus blickte sich um, ob sie beobachtet wurden, dann griff er nach unten und tippte an ihren Schenkel, wo das Mal war. »Ich habe dir doch gesagt, was du da hast, ist eine mächtige Waffe«, flüsterte er.
Sie musste an sich halten, dass sie nicht vor Ekel ob seiner intimen Berührung zurückwich. Irgendwann müsste sie ihre Schuld bei ihm begleichen, aber zum Glück nicht heute. »Und das macht ihr Angst?«
»Ja. Weil sie weiß, was du damit tun kannst, wenn du willst.«
»Und das wäre?«
Ein müdes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Ach, Isa, glaubst du allen Ernstes, dass ich gleich alle Karten auf den Tisch lege? Bevor du mir gegeben hast, was ich will?«
Mit einiger Mühe bewahrte sie Ruhe. Für Orpheus war alles ein Spiel. Aber zumindest bestätigte er ihre Vermutung. Callia, ihre Halbschwester, Casey und sie waren miteinander verbunden. Blieb die Frage, was das zu bedeuten hatte.
»Nein, Orpheus. Ich glaube nicht, dass du jemals für irgendjemanden irgendetwas tun würdest, außer für dich selbst.«
Sie drehte sich um und wollte den anderen folgen, doch nun war er es, der sie zurückhielt. Er wirkte
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