Bannkrieger
zufrieden. »Ist das alles?«, brauste er auf. »Statt etwas zu tun, sitzt Ihr einfach nur untätig herum?«
»Keineswegs.«
Auf einen Wink des Großmeisters hin eilte einer der anwesenden Priester zu der massiven Eichentür, die den Beschwörungsraum verschloss. Nachdem sie geöffnet worden war, konnte der König den Kreis der in Trance versunkenen Priester sehen, die sich auf das Geschmeide der Jadeträgerin konzentrierten, das in ihrer Mitte aufgebahrt war. Geschickte Hände hatten die Jadesteine aus den Fassungen ihrer Schmuckstücke gelöst und zu einem breiten Kollier zusammengefügt. Dadurch konnte zukünftig kein einzelner Stein mehr unbemerkt abhandenkommen.
Auf den Gesichtern der bedauernswerten Brüder zeichneten sich Schmerz und abgrundtiefer Ekel ab, denn sie hatten ihre empfindlichen Sinne für die Aura des Geschmeißes geöffnet, das den Himmel bevölkerte.
»Die dunkle Armada ist keine normale Insektenwolke, sondern magischen Ursprungs«, erklärte Ruppel dem König. »Wir erforschen sie und passen unsere Gegenzauber entsprechend an. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Jadeträgerin einen Bann wirken kann, der das Gezücht des Feindes zu Staub zerfallen lässt. So können die Kräfte von Schild und Geschmeide gemeinsam wirken.«
»Lasst Euch nicht zu viel Zeit dafür«, forderte Dagomar, der bei diesen Worten unwillkürlich nach dem Falkenzepter in seinem Gürtel tastete. »Das verdammte Pack verglüht in unendlicher Zahl und bindet dadurch meine Kräfte. Dabei müssten wir so schnell wie möglich hinausziehen, um die Heere der Iskander zu schlagen.«
»Nein!«, begehrte Ruppel auf. »Wir dürfen dem Feind nicht in die Hände spielen, indem wir uns von ihm nervös machen lassen. Das Gezücht, das uns wie ein lebender Teppich überzieht, mag lästig sein, aber solange es sich hier konzentriert, bleibt wenigstens der Rest des Landes verschont.«
Dagomars Augenbrauen wanderten über der Nasenwurzel zusammen. »Das, was wir am Himmel sehen, ist alles, was die Iskander und ihre Lederhäuter aufzubieten haben?«, fragte er misstrauisch. »Glaubt Ihr das wirklich?«
»Selbstverständlich«, gab der Großmeister gekränkt zurück. »Auch der Macht der iskandischen Hohepriester sind Grenzen gesetzt. Sie können nicht unendlich viele Insekten heraufbeschwören, ohne zu riskieren, dass sie sich gegen sie selbst wenden. Magie lässt sich nur bis zu einem bestimmten Grad kontrollieren, und entfesselt man sie in zu hohem Maße, bahnt sie sich ihren eigenen Weg.«
Dagomar fuhr sich mit dem Daumennagel über die Unterlippe. »Mag sein, dass Ihr recht habt«, gestand er widerwillig ein. »Aber wenn es wirklich so ist, warum verheeren die Schwärme dann nicht weiter unser Land? Wozu diese Machtdemonstration über Greifenstein?«
Ein wissendes Lächeln huschte über die Lippen des Jadegroßmeisters. »Wenn Ihr so viel über die Magie wüsstet wie unser Orden, mein König, wäre Euch das kein Rätsel. Sicher ist Euch bekannt, dass Götter nur so stark sind wie die Inbrunst, mit der die Menschen sie anbeten. Nun, mit der Magie verhält es sich ganz ähnlich, wobei Furcht die Anbetung des Bösen ist. Je stärker die Greifensteiner fürchten, was sie am Himmel sehen, desto gefährlicher wird die auf ihnen lastende Bedrohung. Doch dank des mächtigen Schwingenschilds kann ihnen nichts Ernsthaftes widerfahren. Nicht, wenn wir in der Stadt bleiben, bis die Jadeträgerin einen neuen Bann wirken kann.«
Dagomars Miene versteinerte bei dieser versteckten Zurechtweisung, doch er hörte sie sich schweigend bis zum Ende an. Vielleicht lag es an dem flackernden Licht der Fackeln und Öllampen, doch sein eigentlich junges Gesicht wirkte plötzlich so rissig wie verwittertes Holz, als er zu einer letzten Antwort ansetzte.
»Ihr habt zweifellos recht, Großmeister«, sagte er. »Ihr versteht Euch besser auf Magie als jeder andere. Aber als König verstehe ich mich besser auf die Menschen als Ihr. Darum glaubt mir: Wenn wir dem Feind nicht beizeiten entgegentreten und vernichten, verliert das Volk sein Vertrauen in uns. Und sollte das passieren, haben wir diesen Krieg so gut wie verloren.«
28
Das Tor der ALTEN
Alvin wartete vergeblich auf Rumol und die anderen iskandischen Wachleute. Stattdessen erschien Hormuk mit seinen Mannen. Was der ungeliebte Waffenbruder zu berichten hatte, ließ die Stimmung in der Wolfsgrube schlagartig sinken.
»Rumol ist mehr tot als lebendig«, verkündete der von Zerbe
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