Bannkrieger
und Türspalte mit feuchten Tüchern abzudichten, hatten nicht gefruchtet. In einem aus Lehm und Holz errichteten Haus gab es immer ein paar Ritzen, durch die das winzige Getier einsickern konnte.
Und selbst wenn sie auch die letzte Fuge mit Lehm oder Pech verschmierten, war da immer noch das Schilfdach, durch das sich der allgegenwärtige Feind hindurchfressen konnte.
Alle einzeln zu erschlagen, die zu ihnen hereindrangen, zögerte das Unvermeidliche auch nur heraus. Schon jetzt wurden sie immer wieder von Müdigkeit übermannt, und je länger der Albtraum dauerte, desto schlimmer würde es werden. Bento macht sich schon längst nichts mehr vor. Außer dem, was sie unter den umgedrehten Steintöpfen verbargen, würde ihnen nichts mehr bleiben. Falls sie überhaupt lange genug lebten, um das wenige, das sie aufbewahren konnten, zu vertilgen, und sie nicht vorher an irgendwelchen Krankheiten starben.
»Halt still!«, mahnte seine Frau, die immer noch damit beschäftigt war, seine von Bissen übersäten Arme und Hände mit einer stinkenden Paste zu bestreichen. Ihre Stimme klang sanft, weil sie sah, wie schlecht er sich fühlte, und sie sprach leise, weil ihre beiden Töchter endlich schliefen.
Goras Kopf war auf den von Mieke gesunken, deren linkes Ohr wiederum auf Goras Schulter ruhte. Nur um den Halbwüchsigen nicht allen Mut zu rauben, hatte sich Bento bisher zusammengerissen, doch nun, da sie schliefen, brach es aus ihm heraus.
»Das ist unser Ende«, flüsterte er verzweifelt. »Wir sind bei der Jadeträgerin in Ungnade gefallen.«
»Das ist doch Unsinn!«, tadelte ihn seine Frau. »Welchen Grund sollte es dafür geben? Haben wir unseren Zehnten zur Ernte nicht immer gewissenhaft abgetreten? Und alle geforderten Spann- und Forstdienste zur Zufriedenheit unserer Herren geleistet?«
Bento nickte zögernd, denn sein Weib hatte recht. Aber was mochte sonst der Grund für diese Katastrophe sein? »Dann muss uns der Weltenzehrer selbst verflucht haben«, vermutete er tonlos.
Sein Weib erschrak bei diesen Worten. »Versündige dich nicht mit solchen Redensarten!«
»Doch, nur so kann es sein!«, beharrte er auf seiner Eingebung. »Vielleicht ist der EINE unseres Glücks überdrüssig geworden und hat deshalb beschlossen, seine Schöpfungen wieder zu zerbrechen. Es wäre schließlich nicht das erste Mal …«
Sein Weib stellte den kleinen Tiegel mit der Wundsalbe zur Seite und sah ihn stirnrunzelnd an. Ehe sie jedoch dazu kam, ihn erneut für seine lästerlichen Reden zu schelten, hämmerte etwas mit wuchtigen Schlägen gegen die Vordertür. Entsetzt fuhren sie zusammen, weil sie glaubten, dass die draußen schwirrenden Massen nun mit aller Macht zu ihnen eindringen wollten.
Ihre Angst klang erst wieder ab, als eine dumpfe Stimme ertönte.
»Bento, komm schnell heraus!«, forderte sie, von weiteren Faustschlägen untermalt. »Sie sind jetzt auch in der Vorratsscheune! Wenn wir nichts unternehmen, werden wir auch noch das wenige verlieren, das uns bisher geblieben ist!«
»Das ist Gryff«, sagte seine Frau, die den Rufer erkannt hatte.
»Ja«, bestätigte Bento verdrossen. »Welcher andere Dummkopf würde sich sonst im Freien herumtreiben?«
Gryff gönnte dem Türblatt keine Ruhe. Wohl aus Angst, dass man ihn irgendwie überhören könnte, schlug er unablässig mit der Faust dagegen. Dabei reichte der Lärm, den er veranstaltete, längst dazu aus, Tote aus der ewigen Ruhe zu erwecken.
Für Gora und Mieke hatte es bereits gereicht. Maulend rieben sie sich die verschlafenen Augen, während Gryff von draußen rief: »Bento, du bist der Dorfschulze! Sag allen, dass sie zur Scheune kommen müssen! Auf mich wollen sie nicht hören!«
Wütend ging Bento zum Eingang, dessen Füllung längst auf ganzer Breite erbebte. »Schlag mir gefälligst kein Loch in die Tür!«, tobte er erbost. »Und geh wieder nach Hause, wo du hingehörst! Es gibt nichts, das wir tun können, um das Unglück abzuwenden. Alle haben das begriffen, nur du nicht!«
Das Klopfen verebbte daraufhin, die Forderungen des Alten dagegen nicht.
»Bento!«, drang es durch das dicke Eichenholz, und diesmal klang Gryffs Stimme beinahe flehentlich. »Das kann doch nicht dein Ernst sein. Du bist der Schulze! Mach irgendetwas! Sonst … sonst werden wir hungern müssen, so wie früher, bevor es die Bannzauber gab!«
Hunger! Bento hätte nie gedacht, dass ein einzelnes Wort so schmerzen könnte. Gora und Mieke wussten mit diesem Ausdruck nichts
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