Bannstreiter
kein Ausgang.
Selbst Venea mit ihren Levitationskräften vermochte das ungeheure Hindernis nicht zu überwinden. Sie schaffte es gerade einmal, bis auf ein Drittel der Höhe aufzusteigen, dann musste sie abbrechen und in die Tiefe zurückkehren. Fast hätte sie sich bei der Landung einen Knöchel oder noch mehr gebrochen, doch am Ende trug sie nur eine Verstauchung davon, die sie mühelos mit Hilfe der Schlangenarmbänder zu heilen verstand.
Die Öffnung zum Meer erwies sich als ebenso unpassierbar. Die aus gigantischen Quadern gefertigte Mauer führte so weit zu Felsen hinab, dass sich ein Flüchtling schon den steil aufragenden Klippen und den tückischen Fallwinden aussetzen musste, nur um das Fundament des unüberwindlichen Hindernisses zu erreichen. Die Gefahr, sich dabei alle Knochen zu brechen, war einfach zu groß.
Rorn und Venea waren tatsächlich in dem weitläufigen Areal gefangen, das keinerlei Vorräte, sondern nur tote Pilger und Spinnenreiter zu bieten hatte. Ein wenig Regenwasser, um den brennenden Durst zu löschen, hatte Rorn mit seinem ausgebreiteten Mantel aufgefangen, doch gegen den Hungertod war auch er nicht gefeit. Da half der beste Bann nicht weiter.
»Sieh es einfach ein«, seufzte Venea nach einer Weile. »Du musst die Silberspinne an deinem Ohr herunterschlucken, damit ich auf deinem Rücken in die Freiheit reiten kann.«
»Kommt nicht in Frage«, wehrte er ab. »Ich habe den magischen Anhänger gefunden, also bestimme ich auch, wer ihn isst. Und ich erkläre dich zu meiner Auserwählten.«
So ging es eine Weile hin und her, bis ihnen die Lust auf den unterhaltsamen, aber letztlich fruchtlosen Wortwechsel verging.
»Also doch der Weg über die Klippen«, schlug Venea kurz darauf vor.
»Vergiss es«, forderte Rorn energisch. »Wir sitzen hier im Schatten der Zyklopenmauer: Schon viele Menschen wollten sie von der anderen Seite aus überwinden, doch alle Neugierigen sind dabei ums Leben gekommen. Warum sollte es ausgerechnet uns gelingen?«
Dass all jene, die unbedingt auf diese Seite gelangen wollten, völlig sinnlos gestorben waren, sprach er nicht extra aus. Tragisch war es trotzdem. So mancher, der hier Gold und große Geheimnisse vermutet hatte, hätte sich wohl spätestens nach dem Gelingen seines Vorhabens die Klippen hinabgestürzt.
Die Südländerin zuckte mit den Schultern.
»Bist du wirklich sicher, dass dies die Zyklopenmauer ist?«, wollte sie wissen.
»Ganz bestimmt«, beharrte Rorn auf seiner Einschätzung. »Ich habe schon mal auf der anderen Seite gestanden, deshalb erkenne ich die Quader ebenso wieder wie die Felsformationen, die sich vor der Steilküste abheben. Nein, Venea, sieh es einfach ein. Unser einziger Weg zurück führt durch das Portal. Zerbrich endlich das Siegel, bevor wir zu ausgehungert sind, um uns gegen Silberhaupt und seine Bannsprüche zu wehren.«
»Dazu ist es noch zu früh«, wehrte Venea ab.
»Tatsächlich?« Rorns Augenbrauen wölbten sich. »Worauf wartest du denn noch?«
»Auf Schattenmutters Hilfe«, antwortete die Hexe. »Glaub mir, wenn wir uns wirklich in Thyrm befinden, wie du behauptest, stöbert sie uns auf und übermittelt uns, was zu tun ist.«
Syrk
»Was bei allen Göttern und dem großen Feuersänger …« Auf Alvins Miene spiegelten sich Fassungslosigkeit und namenloses Entsetzen wider. »Was ist hier bloß geschehen?« Bestürzt starrte er auf die am Höhlenboden verteilten Bruchstücke herab, aus denen noch tags zuvor der Steinbogen bestanden hatte.
Manche der pechschwarzen Splitter waren kaum größer als ein Daumennagel. Die enorme Krafteinwirkung, unter der das uralte Portal geborsten war, hatte die ganze Höhle bis in ihre Grundfesten erschüttert. Der steinerne Grund und die Treppe waren komplett von frischem Staub bedeckt. Ab und an rieselte es immer noch von der Decke herab.
»Nachdem er euch nicht zu töten vermochte, hat Silberhaupt das Tor lieber zerstört, als es einem anderen zugänglich zu machen.« In Hatras verwittertem Gesicht war nicht die geringste Regung zu erkennen, doch ihrer Stimme nach zu urteilen, empfand sie tiefe Trauer. »Nicht dass ihm das helfen wird, aber es verschafft ihm einen gewaltigen Zeitvorteil.«
»Was ist mit Rorn und Venea?«, fragte Alvin. »Wenn die beiden wirklich durch das Tor gegangen sind, wie du glaubst, gibt es für sie dann noch eine Möglichkeit zur Wiederkehr?«
»Sofern sie sich noch auf unserer Welt befinden«, antwortete die Hexe mit nicht sonderlich
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