Bannstreiter
trostreichen Worten. »Sicherlich gibt es noch andere Tore, durch die die beiden schreiten können. Sobald ich im Kreise meiner Schattentöchter weile, werde ich Kontakt zu Venea aufnehmen und sie entsprechend unterweisen.«
»Wie viele von Brees Sorte sind denn zu erwarten?«, fragte Bornus aus dem Hintergrund. Er hatte sich so tief in die Höhlenwindungen vorgewagt, bis er auf die unvermeidlichen Zyklopenschädel gestoßen war, die sich in der Nähe eines jeden unterirdischen Portals übereinanderstapelten. In Greifenstein hatten sie noch geglaubt, dass es sich bei diesen Ansammlungen um Trophäen der Greifen handelte, doch Hatra behauptete, dass dies in Wirklichkeit Friedhöfe der Zyklopen wären. Silberhaupt und seine Mannen hatten die Knochenberge allerdings so gut wie möglich versteckt, um die Pilger nicht unnötig zu verwirren.
»So eine wie Bree gibt es kein zweites Mal«, antwortete Hatra lächelnd. »Aber dafür Dutzende von anderen Hexen, die alle ihre eigenen kleinen Eigenarten haben. Sie werden dich aber schon mögen, keine Sorge. Schließlich ist uns Schattenschwestern ein starker Schwertarm stets willkommen. Zuvor müssen wir aber noch eine weltliche Streitmacht ausheben, die uns nach Myandor begleitet. Also los, zeigt mir, wo ich den König der Tausendsee finden kann!«
»Du willst zu Horvuk, diesem hartherzigen Halunken?«, rief Alvin überrascht aus. »Glaubst du ernstlich, er hört auf deine Warnungen? Wie ich den Kerl kenne, freut er sich sogar darüber, dass die Welt bald untergeht. Weil er hofft, sich am Ende als Sieger aus den Trümmern zu erheben.«
»Lass das nur meine Sorge sein«, entgegnete Hatra mit solcher Überzeugungskraft, dass Alvins Zweifel umgehend dahinschmolzen. Ob sie sich dazu wohl einer gewissen Magie bediente? Alvin wusste es nicht. Aber falls es so war, wusste er wenigstens, wie sie den König unter Kontrolle bekommen wollte.
Gemeinsam mit Alvin und Bornus stieg Hatra zurück an die Oberfläche und ließ den Garten hinter sich. Von einer gewissen Gebrechlichkeit war dabei die ganze Zeit über nichts zu erkennen. Mühelos hielt die Alte mit den beiden Iskandern Schritt, ja, trieb sie sogar noch an, wenn sie ihrer Meinung nach unnötig trödelten.
Je näher die drei dem herrschaftlichen Palast kamen, desto verhaltener wurden die Schritte der Iskander. Hatra marschierte dagegen forsch voran und bedachte die Wachposten allesamt mit einem freundlichen Nicken. Die mit Mondsporen und Schwertern bewaffneten Gardisten ließen sie daraufhin anstandslos passieren, selbst ihre Begleiter wurden nicht aufgehalten.
Tiefer und tiefer ging es ins Allerheiligste hinein, ohne dass ihnen jemand den Weg vertrat. Manchmal schien es, als umgäben sie tarnende Schleier, andere Male wurden sie eindeutig gesehen und sogar gegrüßt, aber keinem der zahllosen Menschen, die durch die langen Gänge wimmelten, war offensichtlich klar, dass sich gerade drei Eindringlinge unter ihnen bewegten.
Durch eine hohe Tür betraten sie den Audienzsaal, in dem Horvuk gerade Hof hielt. Auch hier nahm zunächst niemand von ihnen Notiz, bis der König in ihre Richtung blickte. Aus irgendeinem Grund wirkte ihr Zauber bei ihm nicht. Etwas Dunkleres als Wut flackerte in seinen graublauen Augen auf, als er sah, wie sie schnurstracks auf ihn zuhielt.
»Was ist das für eine Unverschämtheit?« Höflinge und Besucher zuckten unter den Worten des stimmgewaltigen Monarchen zusammen. »Packt gefälligst dieses alte Hutzelweib, das es wagt, unangemeldet zu mir vorzudringen.«
Im gleichen Moment, da die Menschen dem ausgestreckten Finger folgten, der anklagend auf Hatra deutete, keuchten die umstehenden Menschen erschrocken auf. Plötzlich erkannte ein jeder, dass die Alte mit dem grauen Haar nichts im Palast verloren hatte. Ein mit einem Mondsporn bewaffneter Posten, der den langen, zum Steinthron führenden Gang flankierte, reagierte von allen Gardisten am schnellsten.
Blitzschnell schwang er die Stangenwaffe im Halbkreis durch die Luft, um Hatra den Weg zu versperren. Dabei ging er wenig zimperlich vor und war sogar bereit, die Alte mit blankem Stahl zu kitzeln.
Diesen Angriff konnte die Hexe schlecht auf sich sitzen lassen. Wütend stieß sie mit ihrem Wanderstab auf den Boden. Nur ein einziges Mal, doch mit solcher Wucht, dass der Knall in allen Ohren schmerzte. Von der Stabspitze ausgehend pflanzte sich der Laut durch den Thronsaal fort und schwoll dabei zu lautem Donner an, der von den Wänden widerhallte. Die
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