Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir

Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir

Titel: Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
wollen, können Sie über die gesamte Summe verfügen.«
    Barakuda starrte ihn verblüfft an. »Wie bitte?«
    Der Bankmann wiederholte, begann aber zu grinsen, als Barakuda sich nicht mehr beherrschen konnte.
    »Also im Klartext, ich kann mit dem Geld alles machen, solange ich nichts damit mache?« Er prustete.
    »So ungefähr. Sie können es zum Beispiel aufteilen, wenn Sie das vorhaben. Wenn Sie es, sagen wir, durch zehn Leute teilen, das wären dann achtzigtausend pro Person, könnte jeder, hm, Moment, über siebeneinhalb Prozent sei nes Guthabens verfügen. Aber nur in begründeten Ausnahmefällen.«
    Barakuda kicherte. »Wunderbar. Wie darf ich das nun wieder verstehen?«
    »Es gibt geschäftliche Transaktionen, die für die Gesamtsituation sinnvoll sind, weil sie die Lage entkrampfen. Dann kann man Ausnahmen machen. Es ist eine komplizierte Ka suistik …«
    »Sagen Sie mir doch einfach, was machen Sie mit dem Privatmann, der von seinem Vermögen leben muß?«
    Der deficit manager nickte. »Ja. Das kommt vor. Ahemm. Also, die derzeitigen Lebenshaltungskosten in Cadhras und Umgebung liegen bei etwa fünf Drachmen pro Tag, grob gerechnet – Miete, Essen, Trinken, Kleidung, plus dies und das.«
    »Dies und das vor allem.« Dante schüttelte den Kopf.
    »Ja. Wir haben in Absprache mit dem Palais und der asambli des Territoriums den Wert höher angesetzt, sieben Drachmen. Ein Individuum kann also zur Zeit über siebzig Drachmen pro Zehntag oder einhundertneunundachtzig pro Standardmonat verfügen.«
     
    Ich weiß, daß ich nichts weiß. Der alte Satz beschäftigte Ba rakuda, als er die Bank verlassen hatte und mit immer wiederkehrendem Grinsen durch die Innenstadt schlenderte. Er überdachte ihn von allen Seiten und beschloß dann, kei nen Versuch des tieferen Eindringens in die Mysterien staatli cher Makrofinanz zu unternehmen. Während er nach Süden in Richtung Raumhafen ging, murmelte er »Metafinanz? Patafinanz?« vor sich hin.
    Der Wind war abgeflaut, und es hatte aufgehört zu reg nen. Dennoch war das Bild grau: graue Steinhäuser und kahle Bäume unter einem bleigrauen Himmel. Die zwei- bis dreigeschossigen Wohngebäude an der Avenu Traversal wirkten trostlos; viele der Läden, Werkstätten, Boutiquen und Cafés in den Erdgeschossen, die sonst mit Auslagen und Geschäftigkeit die Häuserfront belebt hatten, waren geschlossen, manche vielleicht für immer. Abgesehen von einigen Fußgängern war die breite Straße leer, und die oft hektische Kreuzung Avenu Traversal/Bulvar Magellan lag wie tot. Nur eines der Restaurants hatte geöffnet; es roch nach P’aodhu-Stew und irgendeinem Gemüse. Das Gouvernement hatte hier eine Großküche einrichten lassen, ebenso wie in mehreren Lokalen der Innenstadt und in einem der Strandhotels.
    Die fatale Abhängigkeit der Stadt vom interstellaren Verkehr und vor allem vom Tourismus wurde Barakuda erstmals wirklich bewußt. In den Dörfern und kleinen Orten des Isthmus war es nicht so schlimm; Bauern und Fischer konn ten miteinander Tauschhandel betreiben und notfalls direkt von ihrer Arbeit leben. Aber der Schuhmacher, der pro Saison hundert Paar Stiefel aus P’aodhu-Leder fertigte und an Touristen verkaufte, mußte seit zwei Jahren mit Re paraturen und Flickwerk über die Runden kommen. Von wem sollten die Boutiquen leben, mit ihrem breiten Angebot, von erlesenen Handwerkserzeugnissen bis hin zu billigsten, kitschigen Souvenirs? Die Hotels und Restaurants; die Boots-, Pferde- und Karren-Verleiher; die Agenturen am Raumhafen, die seit zwei Jahren weder Fracht noch Passagiere gesehen hatten; die Gaukler, Straßenverkäufer, wan dernden Artisten; Kneipen, kabarés, Künstler; Fremdenfüh rer, frivolas, Friseure? Nur ein winziger Teil des Angebots an Dienstleistungen und Unterhaltung konnte überhaupt von Einheimischen genutzt werden – von Einheimischen, die entweder selbst auf dem Dienstleistungssektor arbeiteten oder Exportgüter produzierten, für die es keine Abnehmer gab. Niemand mußte hungern; Gouvernement und Territorium gaben Lebensmittel aus und unterhielten Küchen. Aber es gab auch Geschichten wie die des Vermieters von Reitpferden, der keine Hilfe annehmen mochte, weil es ja vielen anderen viel schlechter ging, und der begonnen hatte, seine Pferde zu schlachten.
    Vor dem Raumhafen, auf der kreisrunden Plaza Atenoa, sah es so trostlos aus wie überall. Geschlossene Agenturen, verriegelte Bankfilialen, Hotels, von deren Fassaden der Putz blätterte, unter blinden

Weitere Kostenlose Bücher