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Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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umständlich, er ging davon aus, dass niemand allzu sehr auf die Beine achten würde. Am wichtigsten waren die Brust, der Helm, der Umhang, die Axt. Dazu zog er sich das Wams der Dörfler wieder aus und umwickelte seinen eigenen Leib mit den Lederriemen. Der Helm stank innen nach Mundgeruch und Todespein. Es scherte ihn nicht, beide Gerüche gehörten wie selbstverständlich zu den Schlachtfeldern des Lebens.
    Der neue Gott richtete sich auf. Er war nun kleiner und ein wenig schmaler als vorher. Der Umhang war außerordentlich schwer und gebärdete sich im Wind wie ein Mörder, der einen über die Kante zerren wollte. Die Axt war so unhandlich, dass er beschloss, sie beidhändig zu führen. Aber ihre Widerhaken und unregelmäßig angeordneten Konturen versprachen außerordentlichen Schaden am lebenden Menschen.
    Sein Schwert steckte er sich hinten in den Gurt. Seine bisherige Kleidung rollte er zusammen und verbarg sie in einer Lücke zwischen zwei Brückensteinen.
    Dann wuchtete er den alten Gott über die Kante. Ungelenk schlug dieser mehrmals auf und vollführte die aberwitzigsten Kapriolen, bis er schließlich auf einer schrägen Ebene hängen blieb. Das Blut auf der Brücke war nicht beseitigbar, aber wenn die Sonne nicht in einem bestimmten Winkel schien, glitzerte es wenigstens nicht von Weitem.
    Er machte sich auf die Suche nach dem Unterschlupf und folgte dabei seiner Nase, indem er den Helm immer wieder kurz in den Nacken schob. Er hatte ihn nicht unterm Kinn festgebunden. Im Kampf würde das eingegrenzte Sichtfeld der viel zu kleinen Augen ihn ohnehin nur behindern – er brauchte den Helm nur, um an die Männer des Gottes so nahe wie möglich herankommen zu können.
    Die Höhle fand sich zweihundert Schritt entfernt.
    Sie war kaum zu erkennen. Obwohl sie nach hinten in die Tiefe führte, unterschied sie sich nicht von der graublauen Wand. Man hätte sie im Vorübergehen für einen Fleck oder eine große Delle halten können. Insofern war sie ausgezeichnet gewählt. Aber der gewürzte Fleischrauch ersetzte eine deutliche Spur.
    Er betrat die Höhle. Der Eingangsbereich war dunkel und trügerisch. Beinahe übersah er den Mann, der dort kauerte, aber auch diesen verriet ein saurer Geruch, den seine Fußsohlen verursachten. Der Mann döste. Der Barbar trat an ihn heran, zog sein Schwert, schnitt dem Mann den Hals durch und hielt ihn fest, eine Hand vor den schnaufenden Mund, bis das Leben vorüber war. Es war eine beinahe willkürliche Angelegenheit, das Leben. Abhängig von solchen Kleinigkeiten wie einer einzigen Wunde. Und alle Ideen, alle Träume endeten schlagartig ohne Widerhall, ohne Aufschrei des Universums. Deshalb verachtete der Barbar Ideen und Träume. Sie hatten keinerlei praktischen Wert.
    Er ging weiter hinein. Der Fleischgeruch verdichtete sich.
    Ganz hinten, ganz drinnen, nach einer bläulich funkelnden Biegung, flackerte ein Lagerfeuer. Um dieses Lagerfeuer herum kauerten fünf wilde Gestalten, alle in Felle und Eisen geschlagen wie der Gott, nur einen Helm besaß niemand. Sie waren ausnahmslos langhaarig und trugen ihr Haar zu Schläfenzöpfen geflochten, was ihnen das Aussehen gesträubter Vögel verlieh. Sie lachten und scherzten und fraßen Bratenfleisch. Wein kreiste. Federweißer Wein, aus dem Dorf vermutlich.
    Der Barbar trat als neuer Gott an sie heran. Sie beachteten ihn nur flüchtig. Dass ihr Anführer oder ihre Vorzeigefigur zu ihnen zurückkehrte, war keines Aufhebens wert. So fiel ihnen nicht auf, dass er ein wenig kleiner war als vorher, schmaler, einen anderen Gang hatte, weniger schaukelnd, sondern mehr angespannt.
    Er trat hinter einen, der ihm den Rücken zuwandte. Die fünf redeten miteinander in einer Sprache, die der Barbar nicht verstand. Mindestens einer von ihnen musste jedoch die Sprache der Dorfbewohner sprechen, sonst hätte die Bande dem Dorf keine Bedingungen vermitteln können.
    Er nahm die Axt in beide Hände.
    Einer schaute ihn an, sagte etwas mit fleischvollem Mund und runzelte mitten im Sprechen die Stirn. Die Arme des neuen waren deutlich schmaler als die des alten, toten Gottes.
    Der Barbar hieb die Axt in den Rücken des vor ihm Sitzenden. Dessen Oberkörper brach krachend auseinander wie in einem Schlachthaus. Drei der anderen sprangen auf und durcheinander, nur einer, der Älteste von allen, blieb einfach sitzen und knabberte weiter an seiner Bratenkeule.
    Der Barbar konnte die unhandliche Axt nur aus dem Zerborstenen reißen, indem er ihn mit dem Fuß

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