Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Barbarendämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Barbarendämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
Vogelfeder darin, seine Unterarme, dann die Oberarme und Schultern. Die Hüften. Seine nackte Brust. Schließlich die Außenseite seiner Schenkel. Sie hatten es auf sein Schwert abgesehen. Das wollte er nicht hergeben, ebenso wenig wie Setepenres Ohrgehänge. Langsam, aber bestimmt wehrte er ihre immer wieder in Richtung des Schwertknaufs greifenden Arme ab. Sie starrten ihn an, als verstünden sie ihn nicht. Sie verstanden sehr genau. Als einer zu frech wurde, stieß er ihn zurück, die Hand aufgespreizt gegen die Brust. Er stieß hart, sodass der Waldmann ins Straucheln geriet. Die anderen trillerten nun lauter. Sammelten sich, die Äxte kantig in grünlichen Händen. Lehm und Staub machten ihre Leiber matt und spröde. Rissig. Wie Baumrinde.
    Er schloss halb die Augen. Allein gegen sechs. Sie hatten ihre Äxte schon halb erhoben. Er musste jetzt auf jede ihrer Bewegungen achten. Sechs Waffenarme. Sechs Bewegungen. Er durfte nicht einen einzigen Fehler machen, keine einzige der Bewegungen nicht kommen sehen. Keiner durfte hinter ihm sein. Er bewegte sich selbst. Langsam, aber entschlossen. So, dass keiner mehr in seinem Rücken war. Sie ließen ihn durch. Schnatterten. Bewegten sich durcheinander. Machten aus den sechs Axthänden Linien. Wollten ihn verwirren. Aber er behielt den Überblick. Zehn wären schwierig geworden. Sechs gingen noch, wenn er sich zusammenriss.
    Sie bewegten sich noch immer. Schlenkerten die Äxte. Vier Pendel. Zwei Linien. Sie schürzten ihre Lippen, er sah das kaum, war viel zu sehr auf ihre Waffen fixiert. Die Geräusche des Waldes ringsum ballten sich zusammen. Der Punkt der Übernahme, der Augenblick des Alles-in-eins kam heran. War gekommen. Und verstrich. Plötzlich ließen die sechs von ihm ab. Taten, als wäre er nicht vorhanden, gingen schnatternd an ihm vorbei fort in den Wald. Keiner von ihnen drehte sich auch nur nach ihm um, würdigte ihn noch eines Blickes.
    Er setzte seinen Weg fort, zuerst langsam und lauschend, dann wieder schneller. Verfiel in Trab. Die sechs hatten ihn durchgelassen, wie auch die anderen, denen er in den letzten Tagen in dieser Gegend begegnet war. Sie ließen ihn immer passieren, da er zu keiner der verfeindeten Parteien zählte. Aber jetzt war er unterwegs, um ihrem Gott das Gesicht zu nehmen. Konnte ihr Gott das nicht ahnen? Wollte er sich nicht schützen? Natürlich nicht. Götter waren blinde und schwache Geschöpfe, die nichts ahnten und nichts vorhersehen konnten. Ohne die Menschen gab es sie gar nicht.
    Der Wald dagegen war wirklich, und der Barbar achtete darauf, nicht in die Fährte eines Tieres zu geraten, das größer war als er.
    Man konnte bereits den Herbst riechen. Dieser Duft erzeugte Hunger.
    Er erreichte die Statue. Sie stand auf einer Lichtung, überwuchert von grüngelbem Moos. Sie bestand aus grauem Stein. Dass sie so hoch war wie fünf Mann, stimmte nicht ganz. Der Barbar schätzte den Gott auf dreieinhalb Mannslängen. Aufrecht stand er da, die Arme angelegt, die Beine gerade, in eine Kutte gehüllt mit langen Ärmeln. Ein wenig wie ein hochkant hingestellter Toter.
    Kelwor.
    Ein falkenköpfiger Gott.
    Das war natürlich eine Überraschung. Er hatte geglaubt, ein menschliches Antlitz wegmeißeln zu müssen. Die Nase, die Lippen, vielleicht die Augen durchfurchen. Aber ein Falkengesicht? Es lief vorne in einem Schnabel aus, der nach unten gebogen war. Hatte der Kommandant das nicht gewusst?
    Er musste den Schnabel abhacken, was mit einem Meißel kaum zu schaffen war, denn die Statue war dafür viel zu groß, der Schnabel so dick wie zwei Männerschenkel. Oder die Augen herausmeißeln. Das war es wohl. Die riesigen, strengen Augen. Den Falkengott blenden.
    Aber der Kommandant hatte etwas anderes verlangt. Das ganze Gesicht wegmeißeln . Oder so ähnlich. Der Kommandant war ein verrückter, hoffnungsloser Mann auf einem verlorenen Posten. Wie alle Kommandanten.
    Der Barbar konnte zwei Wachtposten ausmachen, diese Auskunft stimmte wenigstens. Die beiden kauerten am Fuß der Statue und schienen zu dösen. In den Bäumen ringsum rauschte der Wind. Noch kein Herbst. Das Laub noch voll. Aber bald. Schon bald.
    Er zog sein Schwert. Diese zwei waren unumgänglich. Blutopfer. Es gab Götter und Statuen, die so etwas zu schätzen wussten.
    Die Lichtung war recht weitläufig. Er konnte rennen, um es möglichst schnell zu tun. Da die beiden aber dösten, konnte er auch versuchen, sich anzupirschen. Von hinten. So machte er es.
    Er umrundete die

Weitere Kostenlose Bücher